Das Netz der Schattenspiele
plötzlichen Eingebung getrieben, antwortete sie dem feinen Herrn: »Dieses Frettchen ist nicht zu verkaufen.«
Der dunkelhaarige Mann schob verwundert das Kinn vor. Seine buschigen Augenbrauen rückten zusammen. »Aber warum denn nicht?«, fragte er konsterniert. »Der Käfig dieses Tieres steht doch ebenso auf Eurem Verkaufstisch wie all die anderen. Habt Ihr es etwa schon einem Käufer versprochen? Egal wer es sei, ich zahle einen höheren Preis.«
»Ich sagte Euch doch, das Frettchen ist unverkäuflich«, beharrte Stella.
»Ihr tut gerade so, als ob dieser Marder aller Hermeline König sei. Dabei handelt es sich doch nur um ein einfaches Frettchen. Doch gut, Ihr sollt das Doppelte von dem bekommen, was der andere Euch geboten hat. Ihr könnt mein Angebot einfach nicht ausschlagen.«
Stella gefiel die Art nicht, wie dieser aufgeblasene Mensch das Wort »Frettchen« ausgesprochen hatte. Warum redete er so despektierlich über den Weißpelz, wenn er andererseits so versessen auf ihn war? Ohne recht zu wissen, woher sie diese Erkenntnis nahm, antwortete sie forsch: »Dieses Tier ist wie ein Teil von mir selbst. Ich würde es niemals hergeben.«
»So?«, argwöhnte der hohe Herr. »Dann besitzt es wohl sicher auch einen Namen.«
»Einen Namen?« Stella zögerte. »Natürlich hat es den. Es heißt… sein Name ist…«
»Ich bin ganz Ohr«, sagte della Valle spöttisch.
»Sesa Mina!«, stieß Stella hervor, als wolle sie den Edelmann mit dem Namen erstechen.
»Sesa Mina? Ein seltsamer Name.«
»Es ist nicht meine Schuld, wenn er Euch nicht gefällt«, antwortete Stella dreist.
Della Valle schien noch immer nicht zufrieden. Das Frettchen hatte es ihm offenkundig angetan. »Wenn das Tier wirklich Euer Eigen ist, dann lasst es aus dem Käfig. Iltisse können ziemlich zänkisch sein. Dann werden wir sehen, ob Eurer Euch auch wirklich erkennt.«
Stella war von dieser Forderung nicht sehr erbaut. Ihre Weigerung, das schneeweiße Tier zu verkaufen, war eher dem Gefühl entsprungen als einem klaren Gedanken. Doch den persönlichen Sekretär des Statthalters konnte man nicht so einfach vor den Kopf stoßen.
Nervös nestelte sie am Verschluss des Käfigs herum.
»Nur zu«, neckte der nun gar nicht mehr so feine Herr. »Vielleicht beißt es Euch ja in den Finger.«
Endlich gelang es Stella, den kleinen Haken zu lösen. Das Frettchen hatte schon ungeduldig hinter der Gittertür gewartet. Sobald die Pforte geöffnet war, schoss das schlanke Wesen ins Freie. Doch nicht, um zu fliehen, auch nicht, um sie anzugreifen, was dem hohen Herrn vielleicht gefallen hätte. Nein, Sesa Mina erklomm mit schnellen Schritten ihrer kurzen Beinchen Stellas Arm und legte sich um deren Schultern.
Für einen Moment war sie wie erstarrt. Sie wusste ja nicht, was das Tier vorhatte. Immerhin war der Iltis fast eine Elle lang, allein der Schwanz maß annähernd zwei Handspannen. Nachdem es einigermaßen sicher schien, dass Sesa Mina ihr nicht an die Kehle gehen würde, fasste Stella neuen Mut. Sie wurde nun sogar kess.
»Glaubt Ihr mir nun, was das Frettchen anbetrifft? Und nun schert Euch fort von meinem Stand! Sagt Eurem Herrn, heute gäbe es keine Frettchen mehr für ihn. Heute nicht und auch nicht in den nächsten Tagen. Ich werde seinem Ansinnen erst dann ein offenes Ohr schenken, wenn er sich für die Dreistigkeit seines Untergebenen bei mir entschuldigt hat.«
Damit wandte sich Stella von dem feurigen Sekretär ab, dessen Augen zuletzt immer größer geworden waren.
»Darauf könnt Ihr lange warten«, hörte sie den gekränkten Edelmann noch in ihrem Rücken sagen. Gleich darauf verriet Hufeklappern seinen eiligen Rückzug.
Stella atmete erleichtert auf. Mit einem Mal spürte sie ein Kitzeln an ihrem linken Ohrläppchen. Es war das Frettchen, das daran schnupperte.
»Hör schon auf, du kleiner Frechdachs«, ermahnte sie ihren neuen Freund.
»Dich sticht wohl die Sonne, mich einen Dachs zu nennen«, antwortete Sesa Mina empört. »Diese plumpen Geschöpfe vermögen doch nichts weiter, als Löcher in die Erde zu bohren und sich darin herumzuwälzen.«
Stella staunte nicht schlecht, als sie ihren Iltis sprechen hörte. »Du scheinst mir ja ein besonders schlauer Bursche zu sein!«
»Du nanntest mich Sesa Mina, also bin ich ein Weibchen so wie du«, entgegnete das Frettchen ein wenig pikiert.
»Und hast du noch andere Begabungen – abgesehen von deinem Sprachtalent –, die es dir gestatten, so abschätzig über Dachse zu
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