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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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von ihrer Bank auf und stapfte zur Tür. Als sie selbige mit Schwung aufzog, stand der Bote schon mit herausgestreckter Brust da, die Hände hinter dem Rücken, gerade so, als sei er hier geboren, aufgewachsen und würde auch irgendwann hier, vor ihrer Küchentür, das Zeitliche segnen.
    Stella packte den Gecken am Wams und zog ihn mit einem Ruck ins Haus. Dann warf sie die Tür wieder hinter ihm zu.
    »So, und jetzt sagst du mir, wer dich schickt!«, forderte sie.
    »Das… das darf ich nicht verraten«, stotterte der feiste Junge.
    »Hier in diesem Brief werde ich aufgefordert, eine Reise in eine Stadt anzutreten, wo meine Person wahrscheinlich auf wenig Gegenliebe treffen wird. So jedenfalls deute ich die Worte deines Herrn oder wer immer diese Zeilen verfasst hat. Ich habe also ein Recht zu erfahren, wer dein Auftraggeber ist oder was sich hinter diesem ominösen Bund des Lindwurmes verbirgt!«
    Der Jüngling atmete nun wieder ebenso heftig wie bei seiner Ankunft, doch dieses Mal aus Angst vor dem wütenden Mädchen. »Ich darf Euch den Namen meines Herrn nicht nennen«, wiederholte er, und weil er – zurecht – befürchten musste, mit dieser Antwort auf wenig Verständnis bei der erregten Frettchenhändlerin zu stoßen, fügte er schnell hinzu: »Doch zum Lindwurmbund kann ich Euch einiges erzählen.«
    Stella stützte die Fäuste in die Seiten. »Ich höre.«
    »Alle tausend Jahre, so lautet eine alte Weissagung, kehrt der Lindwurm nach Illusion zurück. Die Gelehrten führen endlose Dispute darüber, ob es jedes Mal derselbe Drache ist oder doch nur eine neue Generation – eine Dynastie gewissermaßen –, die im Wechsel eines Millenniums dem Ei entschlüpft. Jedenfalls heißt es, der Millenniums-Drache werde, sobald er zu vollem Wuchs gekommen sei, über das Reich Illusion herfallen und es nachhaltig verwüsten. Wer die Zerstörungen überlebt, muss sich ihm unterwerfen und hinfort ein beklagenswertes Dasein fristen.«
    Stella sah den Jüngling mit gerunzelter Stirn an. »Nicht gerade eine verlockende Aussicht.«
    »Da kann ich Euch nur Recht geben, holdes Fräulein.«
    »Keine Schmeicheleien, hört Ihr? Sagt mir lieber, was nun dieser Lindwurmbund ist. Bisher habt Ihr es trefflich verstanden, mir diese Information vorzuenthalten. Ihr könnt Euch aber sicher sein, dass ich mich keinen Gefahren aussetze, solange ich nicht weiß, wer mein Auftraggeber ist.«
    »Das kann niemand sagen«, antwortete der Jüngling nun freiheraus.
    »Wollt Ihr mich für dumm verkaufen?«
    »Nein«, ereiferte sich der Bote, während er mit den Händen vor Stella in der Luft herumfuchtelte, als wolle er den bösen Blick abwehren. »Nein, ich sage Euch die Wahrheit. Der Bund des Lindwurmes ist ein Geheimzirkel. Niemand kennt alle seine Mitglieder, wie es heißt, nicht einmal der Großmeister…«
    »Der Großmeister?«, wiederholte Stella. »Hat er Euch zu mir gesandt?«
    Der Jüngling errötete.
    »Aha, also war er es«, sagte Stella, der die Gesichtsfarbe des Boten Antwort genug war. »Kennt Ihr die Satzung dieses Geheimbundes, wozu ist er da?«
    Der Pagenschnitt wippte im Nicken des jungen Mannes. »Der Lindwurmbund hat sich – wie Ihr an seinem Namen unschwer erkennen könnt – der Aufgabe verschrieben das Kommen des Wurmes genau vorauszuberechnen und dem dräuenden Unheil Paroli zu bieten.«
    »Der Name könnte auch genau das Gegenteil besagen. Woher soll ich wissen, dass dieser Lindwurm nicht in Wirklichkeit ein gewissenloser Kerl ist, der die Macht über Illusion an sich reißen will, und Euer Herr sein willfähriger Parteigänger? Ich habe nicht die geringste Lust, Zuträgerin eines solchen Komplottes zu werden.«
    Der Jüngling rang hilflos die Hände. »So glaubt mir doch! Niemand im Lindwurmbund kennt mehr als zwei oder drei andere Mitglieder. Und den Namen meines Herrn zu verraten, würde mich den Kopf kosten. Ist das etwa Euer Ansinnen?«
    Stella musterte den feinen Burschen argwöhnisch. »Ein wirklich gütiger Herr, Euer Auftraggeber. Will unser Reich vor Schaden bewahren, aber enthauptet die eigene Dienerschaft.«
    »Es gibt auch Anhänger des Lindwurmes, die sich nach dem Kahlschlag durch das Ungeheuer Vorteile versprechen«, flüsterte der Jüngling, obwohl sie sich doch in einem geschlossenen Raum befanden. »Würde das geheime Trachten des Lindwurmbundes den falschen Personen kund, wäre dem Chaos Tür und Tor geöffnet. Daher die strenge Geheimhaltung. Ich kann Euch jedoch versichern, sobald Ihr das Kagee in

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