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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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du die Sprache genauso verloren wie dein Gedächtnis?«
    Ich haßte es, daß sie in der Kuppel war. Dies hier war mein eigener Raum, hier versuchte ich herauszufinden, an was ich mich nicht mehr erinnern konnte, während ich die Puppen hin und her schob, als wären sie meine Familie. Ehrlich gesagt: Ich spielte mit den Puppen die Jahre meines Lebens und versuchte auf diese Weise hinter das Geheimnis zu kommen, das sich mir immer wieder entzog. Eines Tages, eines wunderbaren Tages, so hoffte ich, würde ich diesen Puppen alles entlocken. Dann hätte ich mein eigenes Ich und wäre genauso wundervoll, wiemeine tote Schwester gewesen war.
    Veras linker Arm war bis vor kurzem noch eingegipst. Sie bewegte ihn jetzt ganz vorsichtig, als sie in mein kleines Heiligtum eindrang.
    Trotz meines immer wiederkehrenden Hasses auf Vera tat es mir doch leid, daß sie sich den Arm brechen konnte, wenn sie damit an etwas Hartes stieß. Sie hatte sich angeblich schon elfmal einen Knochen gebrochen und ich noch nie! Ein kleiner Stoß gegen einen Tisch, und schon brach ihr Handgelenk. Ein leichter Anprall, und riesige, purpurrote Flecken zeichneten ihre Haut wochenlang. Wenn sie aus ihrem Bett auf einen weichen Teppich fiel, brach sie sich immer noch ein Bein, einen Knöchel, einen Unterarm, irgend etwas.
    »Tut dein Arm noch weh?«
    »Sieh mich nicht so mitleidig an!« fauchte Vera, hinkte in die Kuppel und hockte sich dann ungeschickt hin. Ihre dunklen Augen bohrten sich in meine. »Ich habe zerbrechliche Knochen, zarte, kleine Knochen, und wenn sie so leicht brechen, dann liegt das daran, daß ich mehr blaues Blut habe als du.«
    Sollte sie ihr blaues Blut doch behalten, wenn das mindestens zweimal im Jahr gebrochene Knochen bedeutete. Manchmal, wenn sie so gemein zu mir war, dachte ich, Gott wollte sie bestrafen. Und manchmal hatte ich auch ein schlechtes Gewissen, weil meine Knochen so hart waren und nicht brechen wollten, wenn ich hin und wieder hinfiel.
    ›Ob wohl die erste, beste und perfekteste Audrina auch so aristokratisch wie Vera gewesen ist?‹ fragte ich mich wieder einmal.
    »Und natürlich tut mein Arm noch weh!« kreischte Vera, und ihre dunklen Augen blitzten rot, blau und grün. »Estut verteufelt weh!«
    Jetzt jammerte sie. »Wenn dein Arm gebrochen ist, fühlst du dich plötzlich so hilflos. Es ist wirklich noch viel schlimmer als ein gebrochenes Bein, weil es so viele Dinge gibt, die du nicht mehr tun kannst. Ich verstehe nicht, warum deine Knochen nicht viel eher brechen als meine, wo du doch nicht viel ißt…aber das liegt wohl daran, daß du die Knochen eines Bauern hast.«
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
    »In meiner Klasse ist ein Junge, der sieht mich immer so mitfühlend an; und er trägt auch meine Bücher und unterhält sich mit mir und stellt mir alle möglichen Fragen. Er sieht so gut aus, du kannst es dir nicht vorstellen. Er heißt Arden Lowe. Ist das nicht ein ungewöhnlicher und romantischer Name für einen Jungen? Audrina, ich glaube, er hat sich in mich verliebt…und er hat mich schon zweimal in der Garderobe geküßt.«
    »Was ist eine Garderobe?«
    »Mensch, bist du doof! Eine kleine Spinnerin, das ist Papas süße Audrina!«
    Sie kicherte, als sie mir den Fehdehandschuh hinwarf. Aber ich wollte nicht streiten, und so erzählte sie mir mehr von ihrem Freund namens Arden Lowe. »Seine Augen sind bernsteinfarben, die hübschesten Augen, die ich je gesehen habe. Wenn man sie aus der Nähe sieht, kann man sogar kleine grüne Flecken in ihnen sehen. Sein Haar ist dunkelbraun mit einem rötlichen Schimmer, wenn die Sonne darauf fällt. Klug ist er auch. Er ist ein Jahr älter als ich, aber das heißt nicht, daß er dumm ist. Er ist eben viel gereist und deshalb in der Schule ein bißchen zurückgeblieben.«
    Sie seufzte und schien verträumt.
    »Wie alt ist Arden Lowe?«
    »Gestern war ich zwanzig, also war Arden natürlich jünger. Ihm fehlt mein Talent, immer das Alter zu haben, was ich gerade haben will. Ich schätze, er ist elf, eine Art Baby, wenn ich zwanzig bin. Aber so ein hübsches Baby.«
    Sie lächelte mir zu, aber ich wußte verdammt gut, daß sie nicht älter sein konnte als…zwölf? Ich wandte mich wieder meinen Puppen zu.
    »Audrina, du liebst diese Puppen mehr als mich.«
    »Nein, tu’ich nicht…«
    Aber ich war mir da gar nicht so sicher, nicht einmal jetzt, als ich es sagte.
    »Dann gib mir die Knaben- und Männerpuppen.«
    »Alle Knaben- und Männerpuppen sind fort«,

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