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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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dennoch hatte Gott Vera keine Demut beigebracht, die er mich gelehrt hatte–und gründlich gelehrt hatte…
    Woher wußte ich das?
    Ich flog die Treppe hinab und stieß mit Papa zusammen. »Habe ich dir nicht verboten, in die Kuppel zu gehen?« fuhr er mich an, packte meinen Arm und versuchte mich davon abzuhalten, zu meiner Mutter zu laufen. »Geh nicht noch einmal dort hinauf, ehe ich das Gitter wieder angebracht habe. Du könntest fallen und dich verletzen.«
    Ich wollte nicht diejenige sein, die Papa von Veras gebrochenen Knochen erzählte. Aber ich mußte es tun, da er meinen Arm nicht los ließ. »Sie liegt da oben und blutet, Papa. Wenn du mich nicht losläßt, stirbt sie vielleicht.«
    »Das bezweifle ich«, sagte er. Trotzdem rief er Mammi zu: »Ruf den Rettungsdienst an, sie sollen einen Krankenwagen schicken, Lucky. Vera hat sich schon wieder die Knochen gebrochen. Meine Versicherung wird mir noch kündigen, wenn das so weitergeht.«
    Doch obwohl er sich jetzt so unwirsch zeigte, war es dann Papa, der Vera beruhigte und neben ihr im Krankenwagen saß und ihre Hand hielt, während er mit der andern ihre Tränen fortwischte. Da lag sie nun auf der Bahre in einem Krankenwagen, der ihr schon sehr vertraut war, und befand sich wieder einmal auf dem Weg ins nächste Krankenhaus, wo man ihr noch einmal den Arm eingipsen würde und das Bein auch.
    IchstandanderHaustürundsahzu,wiederKrankenwagen um die Ecke bog. Sowohl meine Mutter als auch meine Tante weigerten sich, noch einmal mit ins Krankenhaus zu fahren und die langen Stunden des Wartens durchzustehen. Als Vera sich das letzte Mal das Bein gebrochen hatte, hatte der Arzt gesagt, daß es nicht noch einmal brechen dürfe, da es sonst vielleicht nicht so wachsen würde wie das andere.
    »Schau doch nicht so traurig, Liebes«, tröstete Mammi mich. »Es war nicht deine Schuld. Wir haben Vera so oft gewarnt, diese Wendeltreppe hinaufzusteigen. Darum bitten wir dich ja auch immer, nicht dort hinaufzugehen, weil sie dir doch früher oder später folgen wird, um zu sehen, was du machst. Was die Ärzte angeht, die sagen immer nur das Schlimmste voraus, weil sie denken, daß wir dankbar seien, wenn es nicht wahr wird. Veras Bein wird wachsen und genauso lang werden wie das andere…aber Gott allein weiß, wie sie es schafft, sich immer dasselbe zu brechen.«
    Tante Elsbeth sagte überhaupt nichts. Es schien so, als beschäftigten sie die gebrochenen Knochen ihrer Tochter auch nicht annähernd so sehr wie die Suche nach einem Staubsauger, den sie schließlich im Schrank unter der Treppe fand. Sie machte sich auf den Weg zum Eßzimmer, in dem sechs Präsidenten hingen, die eine nackte Dame anstarrten.
    »Kann ich dir irgendwie helfen, Tante Elsbeth?« fragte ich.
    »Nein!« fuhr meine Tante mich an. »Du hast ja keine Ahnung, wie man irgendwas richtig macht. Am Ende hat man dann nur noch mehr Arbeit. Warum, zum Teufel, hast du Vera die Papierpuppen nicht gegeben, als sie darum gebeten hat?«
    »Weil sie sie doch nur zerrissen hätte.«
    Meine Tante warf mir einen wütenden Blick zu, dann meiner Mutter, die die Arme um mich gelegt hatte, und schließlich ging sie, den Staubsauger hinter sich, den Flur entlang und verschwand.
    »Mammi«, flüsterte ich, »warum lügt Vera immer? Sie hat Papa erzählt, ich hätte sie die Treppe hinuntergestoßen, aber ich war nicht einmal in ihrer Nähe. Ich war auf dem Dachboden und hab’die Puppen versteckt, während sie die Treppe herunterkam. Sie ist auch in der Schule gestürzt, und sogar damals hat sie behauptet, ich hätte sie geschubst. Mammi, warum sagt sie das? Wo ich doch überhaupt nicht zur Schule gehe? Warum darf ich nicht zur Schule gehen? Ist die erste Audrina zur Schule gegangen?«
    »Ja, natürlich«, antwortete Mammi, und es hörte sich an, als hätte sie einen Frosch verschluckt. »Vera ist ein furchtbar trauriges kleines Mädchen. Deshalb lügt sie. Ihre Mutter kümmert sich kaum um sie, und Vera weiß, daß wir dich sehr liebhaben. Aber es ist so schwer, ein ungezogenes, haßerfülltes Mädchen liebzuhaben, obwohl wir uns alle wirklich viel Mühe geben. Vera hat einen grausamen Zug an sich, der mir große Sorgen macht. Ich habe solche Angst, daß sie etwas tun wird, um dir weh zu tun, uns allen weh zu tun.«
    Ihre hübschen, veilchenblauen Augen starrten ins Nichts. »Es ist zu schade, daß deine Tante hierherkommen mußte. Wir brauchen sie und Vera nicht, um unser Leben noch komplizierter zu machen.«
    »Wie alt

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