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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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lächelte er mich wieder an. »Meine erste Audrina liegt in diesem Grab, mit neun Jahren gestorben. Diese wundervolle, ganz besondere Audrina–genauso wundervoll und besonders wie du. Zweifle niemals auch nur für einen Augenblick daran, daß du genauso wundervoll und begabt bist wie sie. Glaub an das, was Papa dir erzählt, und du wirst nie einen Fehler machen.«
    Ich schluckte. Es tat mir immer in der Kehle weh, wenn wir dieses Grab besuchten und er mir von dieser Audrina erzählte. Natürlich war ich nicht wundervoll oder etwas Besonderes. Aber wie konnte ich ihm das sagen, wo er doch so davon überzeugt zu sein schien? In meiner kindlichen Art dachte ich mir, mein Wert für ihn hinge davon ab, wie wundervoll ich später sei würde.
    »Oh, Papa«, weinte Vera und stolperte an seine Seite, umklammerte seine Hand. »Ich habe sie so geliebt, so sehr geliebt. Sie war so süß und wundervoll. Und so schön. Ich glaube, in einer Million Jahren gibt es niemanden mehr,der so ist wie deine erste Audrina.«
    Sie lächelte mir boshaft zu, um mir zu sagen, daß ich niemals so hübsch sein würde wie die erste und unvergessene und perfekte Audrina. »Und sie war so gut in der Schule. Es ist schrecklich, wie sie gestorben ist, einfach entsetzlich. Ich hätte mich so geschämt, wenn mir das zugestoßen wäre. So geschämt, daß ich lieber tot gewesen wäre.«
    »Halt den Mund!« brüllte Papa so laut, daß die Enten auf dem Fluß davonflogen. Dann legte er hastig seine Blumen auf das Grab, nahm mich bei der Hand und zog mich zum Auto.
    Mammi fing an zu weinen.
    Aber ich wußte schon, daß Vera recht hatte. Welche wundervolle, besondere Gabe die erste Audrina auch gehabt hatte, sie war mit ihr in diesem Grab begraben.

Unter der Kuppel
    Nicht erwünscht, nicht würdig, nicht hübsch und nichts Besonderes: Das waren die Worte, die ich dachte, als ich die Treppe hinauf in den Dachboden stieg. Ich wünschte, die erste Audrina wäre niemals geboren worden. Ich mußte durch Unmengen staubigen, alten Gerümpels steigen, ehe ich die rostige, eiserne Wendeltreppe erreichte, die mich durch eine eckige Öffnung im Boden führte, die einmal von einem Eisengitter geschützt worden war. Eines Tages wollte Papa es ersetzen.
    In dem achteckigen Raum lag ein rechteckiger Orientteppich, karmesinrot, gold und blau. Immer, wenn ich hier heraufkam, kämmte ich mit meinen Fingern die Fransen, so wie Papa oft mit seinen Fingern durch sein dunkles Haar fuhr, wenn er wütend oder enttäuscht war. In der Kuppel gab es keine Möbel, nur ein Kissen, auf dem ich sitzen konnte. Das Sonnenlicht fiel durch die bunten Glasfenster auf den Teppich und verwirrte mit seinem bunten Schein die Muster. Auch meine Arme und Beine waren gemustert, das sah aus wie Tätowierungen. Hoch droben hingen unter der Mitte des spitzen Daches lange Rechtecke aus buntem Glas–chinesische Windspiele, Mobiles an scharlachroten Seidenfäden. Sie hingen so hoch, daß sie sich niemals im Wind bewegten, und doch hörte ich sie oft klingeln, klirren. Wenn sie sich doch nur ein einziges Mal bewegen würden, wenn ich hinaufsah, dann könnte ich glauben, daß ich nicht verrückt war.
    Ich ließ mich auf das Kissen, das auf dem Teppich lag, fallen und fing an, mit den alten Papierpuppen zu spielen, die ich an den Wänden entlang aufgestellt hatte. Jede einzelne hatte ihren Namen nach jemandem bekommen,den ich kannte. Aber da ich nicht viele Leute kannte, hatten viele der Papierpuppen denselben Namen. Aber nur eine einzige hieß Audrina. Ich schien mich schwach zu erinnern, daß es einmal Männer- und Knabenpuppen gegeben hatte, aber jetzt hatte ich nur noch Mädchen und Damen.
    Ich war so in meine Gedanken vertieft, daß ich nichts hörte, bis plötzlich eine Stimme hinter mir fragte: »Denkst du über mich nach, süße Audrina?«
    Mein Kopf fuhr herum. Da stand Vera in dem verwunschenen, bunten Licht der Kuppel. Ihr glattes Haar hatte die Farbe einer bleichen Aprikose. Noch nie hatte ich eine solche Farbe gesehen, aber das war in unserer Familie nichts Ungewöhnliches. Ihre Augen waren dunkel wie die Augen ihrer Mutter und meines Vaters.
    Die Lichtstrahlen, die sich in den vielen bunten Fenstern brachen, warfen bunte Muster auf den Boden, tätowierten Muster in ihr Gesicht. Deshalb war ich sicher, daß meine Augen genauso leuchteten wie ihre, wie Juwelen. Die Kuppel war ein verzauberter Ort.
    »Hörst du mir zu, Audrina?« fragte sie leise. »Warum sitzt du hier und antwortest nicht? Hast

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