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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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gab keine offensichtlichen Symptome, die mich erkennen ließen, daß sie krank wäre, aber irgend etwas hatte sich verändert. Oft brach sie mit einer Arbeit ab und starrte ins Leere. Sie fing an, die Bibel zu lesen, als suchte sie Trost. Sie machte lange, einsame Spaziergänge, wobei sie den Wald mied und sich dicht am Fluß hielt. Manchmal ging ich mit ihr, aber keiner von uns sagte viel. Dann blieb sie stehen und starrte mit übertriebenem Interesse auf den Boden. Sie blickte in die Bäume hinauf und zum Himmel, mit derselben Neugier, als hätte sie die Natur nie zuvor wahrgenommen und als wäre alles neu für sie. Sie starrte die Eichhörnchen an, die auf unseren alten Bäumen hockten. Ich erzählte ihr, daß ich sicher war, daß sie schon hiergewesen waren, als Kolumbus von Spanien hergesegelt war. Aber meine Tante runzelte nur die Stirn und erklärte, ich wäre über Gebühr romantisch, genau wie meine Mutter. Meine Tante dagegen war praktisch. Bloß–nachdem sie Papa nicht für sich hatte gewinnen können, warum hatte sie da nicht nach einem anderen Mann Ausschau gehalten? Meine unrealistische und romantische Mutter wäre auf keinen Fall ihr Leben lang unverheiratet geblieben.
    Aber wie konnte ich das sagen, wo ich gerade anfing, meine Tante zu verstehen? Und mit dem Verständnis kam die Liebe, die in unserer Beziehung bisher gefehlt hatte. Ich wollte mit ihr reden, aber es war schwer, mit einer Frau zu sprechen, die die Kunst der Unterhaltung nie gelernt hatte. Eines Tages überraschte sie mich. »Liebst du diesen jungen Mann?«
    »Arden? O ja, natürlich. Bei ihm fühle ich mich so sicher und so wohl. Er sagt mir immer wieder, wie wunderbar ich bin und wie sehr er mich liebt.«
    Meine eigenen Worte ließen mich nachdenken–es warfast, als würde ich mich von Arden überzeugen lassen, daß ich ihn lieben müßte, weil er mich liebte.
    Mit gerunzelter Stirn sah meine Tante kurz zu mir herüber. Dann wandte sie sich ab. »Ich hoffe, du wirst ihm gegenüber immer so empfinden. Die Menschen ändern sich, Audrina. Er wird sich verändern. Du wirst dich verändern. Ihr werdet einander mit anderen Augen sehen. Mit zwanzig liebst du ihn vielleicht nicht mehr so, wie du ihn mit achtzehn liebst. Du bist eine schöne junge Frau und kannst deine Wahl unter dem Besten treffen, das die Welt zu bieten hat. Aber du hast sogar noch mehr, etwas viel Wertvolleres als Schönheit, denn die ist nicht von Dauer. Du glaubst, daß sie es ist, du betest darum, aber sie vergeht früher oder später. Je schöner du bist, desto mehr schmerzt es, wenn die Schönheit schwindet. Aber in einer Beziehung hat dein Vater recht–du bist wirklich etwas Besonderes.«
    »Nein, bin ich nicht.«
    Verlegen neigte ich den Kopf. »Ich habe keine besonderen Gaben. Meine Träume sind ganz gewöhnlich.«
    »Ach, das«, sagte sie, als hätte sie das die ganze Zeit gewußt. »Was macht es schon für einen Unterschied, wie du deine Ziele erlangst? Wenigstens läßt dein Vater dich nachts in Ruhe, und du schreist nicht mehr. Ich habe ihn immer für ein Ungeheuer gehalten, weil er dich in dieses Zimmer gezwungen hat, wenn du nicht dorthin gehen wolltest–aber das tut nichts zur Sache. Ohne dich wäre es Damián nicht so gut ergangen, also laß es nicht zu, daß er sich sein ganzes Glück selbst zuschreibt. Du hast ihn motiviert, hast ihm einen Grund gegeben, Reichtümer anzuhäufen. Es ist nicht leicht, die Straße des Lebens allein zu bereisen, und niemand weiß das besser als ich. Ohne dich hätte Damián nach dem Tod deiner Mutter nichtüberlebenkönnen.MännersindmerkwürdigeWesen, Audrina, vergiß das nicht. Bestehe also auf deinen Rechten, verlange eine Collegeausbildung. Laß dir von ihm nicht ausreden, was du möchtest. Er wird versuchen, dich davon abzuhalten, zu heiraten, ihn jemals zu verlassen–aber laß ihn Arden nicht fortjagen.«
    »Das könnte er nicht, sonst wäre Arden schon vor langer Zeit verschwunden. Ich weiß, daß Papa es versucht hat. Arden hat mir erzählt, daß er versucht hat, ihn dazu zu bringen, sich von mir fernzuhalten.«
    »Also schön. Aber wenn du deine Chance zur Flucht siehst, dann ergreife die Gelegenheit und flieh. Du brauchst nicht in der Nähe dieses Waldes zu leben und in diesem Haus mit all den unschönen Erinnerungen. Es wäre sogar noch besser, wenn du zu seiner armen, verkrüppelten Mutter in das Häuschen ziehen würdest, als hierzubleiben…«
    Mir verschlug es den Atem. »Du weißt über Billie Bescheid? Ich

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