Das Netz im Dunkel
bißchennähert.KeinMannwilleineFrau,dieZärtlichkeiten nicht erwidern kann, und ich bezweifle, daß sie das jemals lernen wird.«
»Natürlich nicht!« schrie sie. »Das hast du ihr angetan. Als sie dir erzählt hat, daß der Schaukelstuhl diese Visionen in ihr weckte, hast du sie immer wieder hineingesetzt.«
»Um ihr Frieden zu schenken«, sagte er müde, während ich vor Schreck erstarrte. Warum stritten sie meinetwegen? Was machte meine Tante um drei Uhr morgens in seinem Schlafzimmer?
»Jetzt hör mir mal zu, Damián«, fuhr meine Tante fort, »und benutze zur Abwechslung mal den gesunden Menschenverstand. Du tust gern so, als würde es Vera gar nicht geben. Aber es gibt sie. Und solange sie lebt, sind weder du noch Audrina, noch Sylvia sicher. Wenn du mir erlaubst, zu ihr zu fahren, kann ich vielleicht mit ihr sprechen und sie zur Vernunft bringen. Sie richtet ihr ganzes Leben auf dich und ihre Rache an dir aus. Wenn sie zurückkommt, könnte sie Audrina zerstören–bitte, laß mich gehen. Gib mir genug Geld für die Reise und zur Überbrückung, bis ich eine Stelle gefunden habe. Ich muß bei Vera sein, und du schuldest mir noch etwas, oder nicht? Das Mädchen da in New York ist genauso dein Fleisch und Blut wie Audrina und Sylvia, und du weißt es. Du hast gesagt, du liebst mich.«
»Das ist vorbei, Ellie«, erklärte er müde. »Das Leben besteht nicht nur aus der Vergangenheit. Laß uns mit dem Heute weitermachen, mit dem Hier und Jetzt.«
»Warum hast du gesagt, daß du mich liebst, wenn du es doch nicht getan hast!« kreischte sie.
»Damals hattest du deine Reize, Ellie. Du warst süßer.«
»Damals hatte ich noch Hoffnungen, Damián«, sagte sie verbittert.
»Ellie, sag mir, was Vera tun will, wenn sie zurückkommt. Ich bringe das Mädchen um, wenn sie noch einmal irgend etwas tut, um Audrina zu verletzen.«
»O Gott! Du hast aus ihr gemacht, was sie jetzt ist! Hinter allem, was Vera getan hat, steckte Enttäuschung und Schmerz, weil sie fühlte, daß ihr eigener Vater sie nicht haben wollte. Du kennst Veras Drohung. Als du und Lucietta mir damals erzählt habt, was ihr wegen Audrina vorhabt, hielt ich euch zuerst für Narren. Trotzdem habe ich nichts gesagt, habe gehofft, es würde gut ausgehen. Ich habe schon vor langer Zeit den Versuch aufgegeben, dir zu gefallen, denn ich wußte nicht, wie ich mich deinen Launen unterwerfen sollte. Aber es ist Audrina, die ich retten möchte. Es gab eine Zeit, da hielt ich das Mädchen für einen Schwächling, aber sie hat bewiesen, daß sie das nicht ist. Ich dachte, sie hätte keinen Kampfgeist, kein Feuer, aber ich freue mich jedesmal, wenn sie dir einen Hieb zurückgibt. Sitz nur da und funkle mich mit deinen verdammten schwarzen Augen an. Das ist mir egal! Aber erzähl Audrina die Wahrheit–ehe Vera es tut.«
»In diesem Haus steckt ein Vermögen, und ein Teil davon könnte dir gehören«, sagte er schmeichelnd. »Aber nichts davon wird euch gehören, solltest du oder deine Tochter Audrina jemals ein Sterbenswörtchen verraten.«
Seine Stimme wurde mit einem Mal eiskalt. »Wie willst du ohne Geld irgendwohin fahren? Ellie, wer würde dich denn schon nehmen außer mir?«
»Du willst mich ja gar nicht!« schrie sie sehr wütend. Ich ließ mich auf die Knie fallen und blinzelte durchs Schlüsselloch, so wie Vera es vor vielen Jahren getan hatte, wenn Mammi mit Papa gestritten hatte. »Du nutzt mich doch nur aus, Damián, wie du alle Frauen ausnutzt.«
Ohhh…da war meine spröde, gezierte Tante, ging imZimmer meines Vaters auf und ab und trug dabei nichts weiter als einen durchsichtigen Frisiermantel, der einmal meiner Mutter gehört hatte. Darunter war sie nackt. Zu meiner Überraschung sah sie ohne Kleider besser aus als mit. Ihre Brüste waren nicht groß und voll wie Mammis, sondern kleiner, fester und sehr hoch. Die Brustwarzen waren weinrot und sehr groß. Wie alt war sie eigentlich? Beim besten Willen konnte ich mich nicht erinnern, daß meine Mutter mir jemals ihr Alter verraten hätte, und weil sie so eitel war, hatte man ihr Geburtsdatum nicht auf dem Grabstein eingravieren lassen.
Es war nicht das erste Mal, daß ich erkannte, daß kein anderer Geburtstag so wichtig war wie meiner.
Das lange, dunkle Haar meiner Tante fiel locker herab, flog hoch, als sie jetzt herumwirbelte. Ich starrte sie an und fragte mich, warum sie keinen anderen Mann gefunden hatte, nachdem sie Papa an meine Mutter verloren hatte. So, wie sie jetzt aussah, wirkte
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