Das Netz im Dunkel
Küssen. Dazwischen kamen seine Worte: »Ich habe ja schon gehört, daß Bräute Lampenfieber bekommen, aber ich dachte, du liebst mich, Audrina.«
Noch mehr Küsse auf mein Gesicht, meinen Hals, meine Brüste. »Wir haben uns doch nicht erst jetzt kennengelernt.«
Ich sprang auf die Füße. Auch er erhob sich, tastete nach seinen Knochen. »Scheine keinen bleibenden Schaden davongetragen zu haben«, meinte er und grinste gutmütig. Zärtlich nahm er mich in die Arme und sah mir tief in dieAugen. »Du mußt mich nicht so ängstlich ansehen. Irgendwie ist das alles ja lustig, eine Farce. Aber ich möchte nicht, daß unsere Hochzeitsnacht eine Farce wird. Ich liebe dich, Audrina. Wir lassen uns Zeit, gehen die Sache ganz ruhig an, und du wirst überrascht sein, wie natürlich das alles ist.«
Er küßte mich leicht mit geöffneten Lippen. »Dein Haar sah schon vorher herrlich aus, du hättest es nicht noch einmal zu waschen brauchen. Trotzdem, ich habe dich noch niemals so schön gesehen…und selbst wenn du so verängstigt aussiehst, für mich bist du atemberaubend.«
Wieder küßte er mich, als wollte er gar nicht mehr damit aufhören. »Ich bin blitzschnell fertig«, sagte er, gab mich zögernd frei und betrat das Badezimmer.
Das hätte er mir nicht zu sagen brauchen. Ich wußte die ganze Zeit über, daß er blitzschnell fertig sein würde.
Ich würde diese Nacht ertragen müssen und alle kommenden Nächte, wenn ich Papa entkommen wollte; wenn ich eine körperliche Beziehung finden wollte, die jede Frau mit dem Mann, den sie wahrhaft liebte, eigentlich genießen sollte.
Ich zog den Frisiermantel aus, den Arden nicht einmal bemerkt hatte, und schlüpfte unter die Decke des riesigen Bettes. Ich lag kaum bequem, als Arden auch schon die Badezimmertür öffnete. Er hatte geduscht und all das wenige getan, was ein Mann tun muß, ehe er schlafen gehen kann.
Schnell kam er zum Bett herüber. Seine Silhouette zeigte sich kurz vor dem goldenen Licht hinter ihm. Zu meinem Entsetzen trug er nichts als ein feuchtes Badetuch, das er sich um die Hüften geschlungen hatte. Das ganze spärliche Licht im Hotelzimmer schien sich auf seine feuchte, glänzende Haut zu konzentrieren, zwang mich, mir seinerMännlichkeit bewußt zu werden, an die ich doch überhaupt nicht denken wollte. Ich wollte diese Nacht so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich hätte schreien können, als er dieses Handtuch lässig abnahm und zu Boden fallen ließ.
Oh, es fing schon an, all die schlampigen Sachen, die Männer taten, wenn sie erst eine Frau hatten, die ihnen alles hinterherräumte. »Du hast vergessen, das Licht im Badezimmer auszumachen.«
»Weil du hier drin alles Licht ausgemacht hast«, sagte er, »und ich mag gern ein bißchen Licht. Ich kann aber statt dessen auch die Vorhänge öffnen und den Mondschein hereinlassen.«
Sein Atem roch nach Zahnpasta. Er stand neben dem Bett, als wollte er, daß ich ihn in dem blassen, rosigen Nachtlicht betrachtete, das er angeschaltet hatte.
»Liebling, sieh mich an. Dreh den Kopf nicht weg. Ich habe jahrelang auf diese Nacht gewartet. Ich habe mir solche Mühe gegeben, meinen Körper muskulös und fit zu halten, und nie, nicht ein einziges Mal, hast du irgend etwas gesagt, um mir zu zeigen, daß du es bemerkt hast. Siehst du eigentlich überhaupt einmal etwas anderes als mein Gesicht?«
Ich schluckte. »Ja, natürlich habe ich es bemerkt.«
Lächelnd setzte er ein Knie aufs Bett. Verängstigt von dem, was ich sah, ehe ich meinen Blick wieder abwendete, verkrampfte ich mich innerlich noch mehr und wich bis an den äußersten Rand des Bettes zurück. »Audrina, du zitterst ja. Es ist doch nicht kalt hier drin. Hab keine Angst. Wir lieben uns doch. Ich habe dich geküßt, umarmt, und ein paarmal habe ich etwas mehr gewagt und bin sofort zurechtgewiesen worden. Aber sich lieben–dazu gehört mehr als das alles zusammen.«
Seine leise Stimme klang besorgt. »Du weißt doch, um was es geht, hoffe ich…?«
Ja, ich wußte es. Vielleicht wußte ich sogar zuviel. Ich starrte zum Fenster; mir war übel vor Angst. Das ferne Grollen von Donner drang ins Zimmer. Mit dem näherkommenden Sturm und Gewitter kam eine neue Flut des Entsetzens, brachte Visionen des dunklen Waldes unter bleigrauem Himmel. Wie im Zimmer der ersten Audrina fühlte ich die ominöse Drohung dessen, was vor mir lag.
Regen! Oh, bitte, lieber Gott, laß es heute nacht nicht regnen!
Zentimeter für Zentimeter rückte Arden
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