Das Netz im Dunkel
Ich möchte nur, daß du dir sicher bist, meinen Sohn genug zu lieben, Audrina. Ich möchte nicht, daß du Arden heute heiratest und es morgen bereust.«
»Ich werde Arden ewig lieben!« beteuerte ich und glaubte daran. Arden lächelte mir liebevoll zu. »Ich liebe dich auch«, erklärte er leise. »Ich werde mein ganzes Leben der Aufgabe widmen, dich glücklich zu machen.«
Nervös blickte ich zu Sylvia, die anfing zu schreien, als Billie sie zu berühren versuchte, zu Billie, dann zu Arden. Ich konnte meine Schwester nicht bei Billie zurücklassen, die sie zu fürchten und zu verabscheuen schien. Ich hatte Papa schon vor langer Zeit versprochen, mich um meine Schwester zu kümmern; ich war verantwortlich für sie, und ich konnte sie nicht verlassen.
Mein Herz schien aufzuhören zu schlagen, während ich auf Ardens Antwort wartete, nachdem ich ihm gesagt hatte, daß Sylvia uns begleiten mußte. Er wurde blaß, willigte dann aber ein.
Vielleicht hatte Billie recht, uns besorgt nachzuschauen, als wir ihr zum Abschied zuwinkten.
Ja, ich will
In einer kleinen Stadt in North Carolina, wo es möglich war, daß ein Paar noch am selben Tag heiratete, an dem es den Antrag stellte, wurden Arden und ich von einem fetten, kahlköpfigen Friedensrichter getraut, während seine langweilig aussehende, dürre Frau auf einer abgenutzten alten Orgel die Hochzeitsmusik spielte. Nachdem die kurze Zeremonie beendet war, sang sie (ohne von uns gebeten worden zu sein): ›I Love You Truly.‹
Sylvia rutschte unruhig auf einem Stuhl herum, baumelte mit den Beinen und spielte mit den Kristallen, wobei sie unaufhörlich vor sich hin plapperte, als hätte sie plötzlich ihre Stimme gefunden und müßte sie nun auch benutzen, selbst wenn sie keine sinnvollen Worte sprechen konnte–oder versuchte sie zu singen? Es war schwer, sich auf die Zeremonie zu konzentrieren.
»Irgendwann machen wir das alles noch einmal, so, wie es sich gehört«, versprach Arden, als wir nach Süden weiterfuhren, einem berühmten Strand und einem guten Hotel entgegen. »In dem violetten Kleid siehst du hinreißend aus. Es paßt genau zu deinen Augen. Du hast wundervolle Augen, so tief. Ich frage mich, ob ich in einer Million Jahren Zeit genug habe, all deine Geheimnisse herauszufinden.«
Mir war nicht wohl zumute. »Ich habe keine Geheimnisse.«
Am Abend brachten wir unser Gepäck ins Hotelzimmer, und bald darauf saßen wir im Speisesaal, wo alle Gäste Sylvia anstarrten, die ihr Essen in den Mund schaufelte, ohne Besteck zu Hilfe zu nehmen. »Ich habe auch darangearbeitet«, entschuldigte ich mich bei Arden. »Früher oder später wird sie das schon begreifen.«
Er lächelte und erklärte, daß wir beide aus Sylvia schon noch eine perfekte Dame machen würden.
Ich war froh, daß das Abendessen so lange dauerte. Nur zu bald würde der Augenblick kommen, vor dem ich mich am meisten fürchtete.
So sehr ich mich auch bemühte, die dunkle, unklare Erinnerung an den feuchten Tag im Wald blitzte immer wieder vor meinem geistigen Auge auf. Sex hatte die erste Audrina getötet, und heute war meine Hochzeitsnacht. Arden würde mir nicht weh tun, sagte ich mir erneut, um mich selbst zu beruhigen. Mit ihm würde es nicht schrecklich sein. Der Schmerz, das Entsetzen, all das Häßliche gehörten zu dem Schaukelstuhltraum der ersten Audrina; nichts davon gehörte in mein Leben, ich hatte ja die Hochzeitsurkunde in der Tasche.
Arden war wunderbar, rücksichtsvoll, tolerant, was Sylvia anging, während er gleichzeitig versuchte, romantisch mit mir zu sein–eine nahezu unmögliche Aufgabe. Er tat mir leid, weil er sich so sehr bemühte.
Er hatte eine Suite bestellt–zwei Zimmer mit Verbindungstür. So hatte Sylvia ihr eigenes Bad, und in ihrem Bad tat ich langsam, was ich zu tun hatte. Nachdem ich sie in das große Bett gesteckt hatte, gab ich ihr strikte Anweisungen, im Bett zu bleiben sonst…Ich stellte ihr noch ein halbvolles Glas mit Wasser auf den Nachttisch. »Trink so wenig wie möglich, damit dir heute nacht kein Mißgeschick passiert.«
Ich küßte sie und zog mich zögernd zurück, als sie einschlief, die Kristalle noch immer fest umklammernd.
In dem Schlafzimmer, das Arden und ich teilen würden, ging er ungeduldig auf und ab, während ich stundenlangbadete und meine Haare wusch. Dann rollte ich sie auf Wickler, benutzte meinen Fön, cremte mir das Gesicht ein, und während mein Haar trocknete, entfernte ich meinen Nagellack und lackierte alle meine
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