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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Bedürfnis entgegen, ein süßes, kleines Mädchenzu bleiben. Arme Audrina, die Süße. Die Reine und Jungfräuliche. Liebe Audrina, der gehorsame kleine Liebling, der nie etwas Falsches macht.«
    »Was willst du, Vera?« fragte ich. Mir war plötzlich sehr kalt. Ich spürte Gefahr, spürte Veras Drohung. Ich wollte ihr befehlen, dieses Haus zu verlassen. Geh, laß mich in Ruhe! Gib mir Zeit, erwachsen zu werden, die Frau zu finden, die irgendwo in mir ruht.
    »Ich bin zu Thanksgiving heimgekommen«, antwortete Vera aalglatt, mit der verführerischen Stimme, mit der sie jemanden imitierte, den sie bewunderte. Früher hatte sie einmal versucht, zu sprechen wie eine Fernsehschauspielerin. »Und wenn ihr nett zu mir seid, wirklich nett, wie eine Familie sein sollte, dann bleibe ich auch noch über Weihnachten. Es ist wirklich nicht sehr gastfreundlich von dir, mich die ganze Zeit in der Halle stehenzulassen, während sich meine Koffer noch auf der Veranda befinden. Wo ist Arden? Er kann mein Gepäck hereinholen.«
    »Mein Mann arbeitet, Vera, und du kannst dein Gepäck selbst hereinholen. Papa wird nicht sehr erfreut sein, dich zu sehen. Ich nehme an, das weißt du.«
    »Ja, Audrina«, sagte sie mit dieser glatten, abscheulichen Stimme. »Ich weiß das. Aber ich möchte Papa sehen. Er schuldet mir eine Menge–und ich beabsichtige zu bekommen, was meiner Mutter gehört hat–und nun mir gehört.«
    Ein leises, schlurfendes Geräusch machte mich auf Billie aufmerksam, die mit ihrem kleinen roten Karren den Korridor entlangkam. Als hätte sie gerade eine Maus gesehen, machte Vera einen Satz und wäre fast hingefallen–wegen der dickeren Sohle. Ihre behandschuhte Hand fuhr zum Mund, um einen Schrei zu ersticken, die andereschoß vorwärts, wie um eine Ansteckung abzuwehren. Ich beobachtete, wie sie sich bemühte, die Fassung wiederzugewinnen, während die kleine, halbe Frau, zweimal so alt und dreimal so schön wie Vera, sie abschätzend musterte und eine Menge Haltung und Beherrschung verriet. Ich bewunderte Billie dafür.
    Doch zu meiner Überraschung lächelte Vera meine Schwiegermutter dann strahlend an. »Ach, natürlich. Wie konnte ich Billie Lowe vergessen. Wie geht es Ihnen, Mrs. Lowe?«
    Fröhlich begrüßte Billie Vera. »Oh, hallo. Sie sind Vera, nicht wahr? Wie gut Sie aussehen. Nett von Ihnen, über die Feiertage heimzukommen. Sie kommen gerade rechtzeitig zum Essen, ihr altes Zimmer ist sauber, ich muß nur noch das Bett frisch beziehen, dann können Sie sich ganz zu Hause fühlen.«
    Sie sah auf und schenkte mir ein besonders herzliches Lächeln. »Nun, Audrina, dann hat deine juckende Nase tatsächlich einen Besucher verkündet.«
    »Wohnen Sie auch hier?« fragte Vera ziemlich verblüfft. Dieser Jemand im Dorf wußte anscheinend nicht alles, was in Whitefern vor sich ging.
    »Aber ja.«
    Billie gluckste förmlich vor Glück. »Das ist das wunderbarste Haus, das ich jemals mein Heim nennen durfte. Damián war einfach wundervoll zu mir. Er hat mir die Zimmer gegeben, die vorher–«sie zögerte, sah ein bißchen verlegen aus–»Ihrer Mutter gehörten.«
    Der flehentliche Blick, den sie Vera zuwarf, rührte mich. »Zuerst dachte ich, es wäre falsch, eine so große Suite anzunehmen, die Audrina vielleicht gern für sich gehabt hätte. Aber Audrina hat kein einziges Wort gesagt, das mir das Gefühl gegeben hätte, jemand anderem den Platzwegzunehmen. Und was noch viel wichtiger ist, Damián hat all die Dinge, die ich aus unserem Häuschen haben wollte, eigenhändig herübergebracht. Das alles noch am selben Tag, an dem Arden und Audrina durchgebrannt sind.«
    Wieder schenkte Billie mir ein liebevolles Lächeln. »Komm, Schatz, Zeit zum Essen. Sylvia sitzt schon am Tisch. Es ist genug für uns alle da.«
    »Hilf mir, mein Gepäck ins Haus zu bringen, Audrina«, sagte Vera und wandte sich abrupt ab, um auf die Veranda zu eilen, als wäre sie es leid, auf all die Herzlichkeit und Freundlichkeit zu reagieren, die Billie ihr entgegenbrachte. »Ich reise in ein paar Wochen wieder ab. Du brauchst also gar nicht so besorgt dreinzuschauen. Ich will deinen Mann nicht.«
    »Weil du einen eigenen hast?« fragte ich hoffnungsvoll.
    Lachend drehte sie sich halb um und grinste mich an. »Das würde dir so gefallen, was? Aber nein, ich habe keinen eigenen. Lámar Rensdale war ein unglücklicher Fehlschlag. Er hat den leichten Weg gewählt, als das Leben für ihn ein wenig härter wurde. Was das doch für ein Feigling war!

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