Das Netz im Dunkel
Damián, ganz gleich, was du von eurer Beziehung hältst. Wir können immer draußen essen und ins Kino gehen. Aber bitte, Damián, bring mich nicht wieder in Verlegenheit. Du warst so nett, so großzügig–ich wäre so enttäuscht, wenn du–«
Sie brach ab und sah ihn mit Tränen in den Augen an.
Ihre Kummertränen schienen eine große Wirkung auf ihn auszuüben. »Also schön«, sagte er und wandte sich Vera zu. »Ich möchte so wenig wie möglich von dir sehen, und am Tag nach Thanksgiving reist du ab. Ist das klar?«
Vera nickte schwach. Sie ließ den Kopf hängen, setzte sich, schlug die Beine übereinander und faltete züchtig die Hände in ihrem Schoß–eine guterzogene, bescheidene junge Frau. Und Bescheidenheit war etwas, was Vera noch niemals besessen hatte. »Alles, was du willst, Pa–Onkel Damián.«
Ich wandte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie Arden sie mitleidig anschaute. Ich starrte von einem zum ändern und spürte, daß es schon begonnen hatte–die Verführung meines Mannes.
In kürzester Zeit waren Vera und Billie dicke Freunde. »Du liebe, wundervolle Frau, all diese Hausarbeit zu übernehmen und ganz allein zu machen, wo Damián sich doch leicht eine Haushälterin und ein Mädchen halten könnte. Ich wundere mich wirklich, Billie Lowe.«
»Audrina ist eine große Hilfe«, sagte Billie. »Auch sie mußt du loben.«
Ich war im Bad am anderen Ende des Küchenflurs damit bemüht, Sylvias kastanienbraune Locken zu entwirren. Ich unterbrach meine Arbeit, um zu hören, was Vera sonst noch zu Billie zu sagen hatte. Aber es war Billie, diewieder sprach.
»Wenn du jetzt auch dein Teil übernehmen und in den beiden Salons staubsaugen würdest, dann wäre ich dir wirklich sehr dankbar. Das würde Audrina entlasten. Sie hat wirklich alle Hände voll damit zu tun, Sylvia beizubringen, wie man spricht und sich anständig bewegt–und sie hat sogar Erfolg.«
»Du machst Witze.«
Vera hörte sich überrascht an, als hoffte sie, daß Sylvia niemals sprechen lernen würde. »Das Gör kann richtig sprechen?«
»Ja, ein paar einfache Worte. Nichts ist deutlich, aber man kann es verstehen, wenn man genau hinhört.«
Mit Sylvia an der Hand folgte ich Vera und sah zu, wie sie den neurömischen Salon betrat und den Staubsauger nicht gerade begeistert vor sich herschob. Ich fand es toll, wie Billie sie zum Arbeiten brachte, als würde sie annehmen, daß Vera gern dazu bereit war. Wenn Vera gemurrt hätte, hätte es das Spielchen verdorben, das sie trieb–zumindest hielt ich ihr Auftreten für ein Spielchen. Vera schob und zog den Staubsauger, aber die ganze Zeit über ruhten ihre Blicke auf all den Kostbarkeiten. Während die Maschine brummte, zog sie einen Notizblock hervor und fing zu schreiben an. Ganz leise schlich ich mich hinter sie, nachdem ich Sylvia in der Halle zurückgelassen hatte, und las über ihre Schulter hinweg:
1.Staubsaugen, staubwischen, Möbelpolitur benutzen. (Spiegel, riesig, Goldauflage, ein Vermögen wert.)
2.Zeitungen aufheben, Zeitschriften sauber stapeln. (Lampen, Tiffany, venezianisch, solides Messing, unbezahlbar.)
3. Sollte die Betten machen, ehe ich nach unten komme. (Jetzt überall echte Antiquitäten, Ölgemälde, Originale.)
4.Bei der Wäsche helfen. Kein Bleichmittel für Handtücher verwenden. (Orient- und Chinateppiche, Schnickschnack aus Porzellan und geblasenem Glas, vor allem Vögel.)
5. Schon früh die Post holen. Nie vergessen! (Schecks in seinem Safe im Büro. Habe noch nie so viele Schecks mit der Post kommen sehen.)»
Welch interessante Art, deine Pflichten aufzuführen«, sagte ich, als sie meine Gegenwart spürte und herumwirbelte und mich überrascht ansah. »Hast du vor, uns auszurauben, Vera?«
»Du Schlange«, fauchte sie. »Wie kannst du es wagen, dich anzuschleichen und mir über die Schulter zu schauen!«
»Man muß eine Katze immer beobachten, wenn sie plötzlich so still wird. Ist es denn wirklich nötig, alltägliche Pflichten aufzuschreiben? Fallen sie dir nicht ganz von selbst ein? Was den Rest angeht, das meiste war schon vorher hier. Bloß ist alles neu gepolstert und restauriert worden. Dann hat Papa noch ein paar der älteren Whitefern-Antiquitäten ausfindig gemacht, die mal verkauft worden sind. Aber du warst früher doch nicht so beeindruckt davon–warum jetzt auf einmal?«
Einen Augenblick sah es so aus, als wollte sie mich schlagen. Dann sackte sie auf einem Sessel zusammen. »Ach, Audrina, streite doch nicht
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