Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
sich hinter ihr. Noch während ich all das in mich aufnahm, plante ich schon, ungehorsam zu sein und die Abkürzung zu nehmen, um heimzulaufen.
    Mammi bückte sich und küßte meine Wange. »So, gehorch mir, auch wenn du dadurch zu spät zu deiner eigenen Geburtstagsfeier kommst. Wir können sowieso nicht anfangen, ehe du da bist. Denk nicht an die Abkürzung und fahre mit dem Schulbus heim.«
    Aber Spencer Longtree fuhr immer mit dem Schulbus, und mit ihm seine Freunde. Sie sagten immer so häßliche, gemeine Sachen zu mir. Ich konnte nicht einmal Mammi erzählen, was sie für schreckliche Dinge sagten.
    »H…Ä…S…S…L…I…C…H…«, kreischte Spencer Longtree, der nicht mit dem Schulbus heimgefahren war. Der Wald ersparte mir seine grauenhafte Gegenwart nicht. »Audrina Adare hat häßliches Haar…ich buchstabiere–«
    »Ich weiß schon, wie man häßlich schreibt, Spencer Longtree«, rief ich ihm über die Schulter zu, »und das Wort paßt ausgezeichnet auf D…I…C…H.«
    »Das wirst du mir büßen…und vielleicht fühlst du dich dann nicht mehr so toll, bloß weil du eine Whitefern bist und in einem großen Haus wohnst.«
    Eigentlich sollte man heute rennen, hüpfen und sich in dem Wald amüsieren, in dem all die kleinen Tiere ihren Unterschlupf hatten. Da–die Regenwolken am Himmel. Sie verbargen die Sonne, ließen es dunkel werden. Würde der Sturm losbrechen, ehe ich daheim ankam? Wird er mein Kleid ruinieren? Meine Locken kräuseln? Mammi wird einen Anfall bekommen, wenn ich nicht hübscher als alle anderen Mädchen auf meiner Party aussehen werde–und dieses dumme Kleid bekam auch noch so leichtWasserflecken und lief ein.
    Der Regen prasselte nieder.
    So schnell ich konnte, eilte ich den gewundenen, kaum erkennbaren Pfad entlang, spürte das seidige Rascheln an meinen Beinen, als sich das verdorbene Kleid daran schmiegte. Ich dachte, ich hätte ein paar Meter vor mir gesehen, wie sich die Büsche bewegten. Ich blieb stehen, bereit, umzudrehen und davonzulaufen.
    Die dichten Blätter über mir formten eine Art Baldachin, von dem dicke Tropfen herabfielen. Sie klatschten in den Schmutz auf dem Pfad, bespritzten mein Kleid.
    Manche Leute pfeifen, wenn sie Angst haben. Ich wußte nicht, wie das ging.Aber ich konnte singen. »Happy birthday to me, happy birthday to me…happy birthday, dear Audrina…happy bir–«
    Ich brach mitten im Lied ab und erstarrte. Ganz bestimmt hatte sich da vor mir im Gebüsch etwas bewegt. Ich hörte unterdrücktes Gekicher. Ich drehte mich um, um davonzulaufen, warf dann noch einen Blick zurück und sah drei Jungs hinter den Dornengebüschen hervorspringen, die den Pfad säumten. Kratzer hatten ihr Gesicht blutig gemacht und verliehen ihnen ein furchterregendes Aussehen. Aber gleichzeitig schienen sie albern. Dumme, alberne Jungs. Glaubten sie wirklich, sie könnten mich einholen? Ich konnte schneller laufen als Tante Elsbeth, die damit geprahlt hatte, daß sie als Kind schneller war als alle anderen.
    Gerade als ich dachte, ich hätte sie abgehängt, stürzte ein Junge vor und packte mein langes Haar. Er riß es mir fast aus, so weh tat es! »Hör auf damit, du Biest!« schrie ich. »Laß mich los! Ich habe heute Geburtstag–laß mich los!«
    »Wir wissen, daß es weh tut«, höhnte Spencer Longtrees kratzige Stimme. »Wir sind froh, daß es weh tut. Das istunserGeburtstagsgeschenkfürdich,Audrina.Einen schönen neunten Geburtstag, Whitefern-Mädchen.«
    »Hör sofort auf, an meinem Haar zu ziehen! Faß mich nicht mit deinen dreckigen Händen an! Du machst mein Kleid kaputt. Laß mich in Ruh. Wagt es nur ja nicht, mir irgend etwas zu tun, sonst sorgt mein Papa dafür, daß ihr alle ins Gefängnis kommt oder verbrannt werdet!«
    Spencer Longtree grinste. Sein Gebiß hätte einem Pferd alle Ehre gemacht. Er schob sein langes, pickliges Gesicht näher an meines heran. Sein Atem roch schlecht. »Weißt du, was wir mit dir machen werden, hübsches Kind?«
    »Ihr werdet mich gehenlassen«, sagte ich trotzig. Aber etwas in mir bebte. Plötzliche Angst ließ meine Knie weich werden, mein Herz schneller schlagen, mein Blut stocken.
    »Oohh neeinn«, grollte er, »wir werden dich nicht laufenlassen…nicht, bevor wir fertig sind. Wir werden dir all diese hübschen Kleider vom Leib reißen, werden deine Unterwäsche zerfetzen, und du wirst nackt sein, und wir werden alles sehen.«
    »Das könnt ihr nicht tun«, fing ich an und versuchte, mutig und tapfer zu sein. »Alle

Weitere Kostenlose Bücher