Das Netz im Dunkel
Whitefern-Frauen mit meiner Haarfarbe können einen Todesfluch auf diejenigen legen, die ihnen etwas antun. Also hüte dich, Spencer Longtree. Mit meinen violetten Augen kann ich dafür sorgen, daß du im Feuer der ewigen Hölle schmorst, noch während du lebst.«
Höhnisch reckte er sein Gesicht so weit vor, daß seine Nase meine berührte. Ein anderer Junge packte meine Arme und hielt sie mir auf dem Rücken fest. »Nur zu, du Hexe, tu dein Schlimmstes!« forderte er mich auf. Durch den Regen klebte sein Haar an der Stirn. »Verfluche mich, und rette dich selbst. Los, oder in ein paar Sekunden lasseich meine Hosen runter, und meine Kumpel halten dich fest, und jeder von uns kommt einmal an die Reihe.«
Ich schrie es heraus: »Ich verfluche euch, Spencer Longtree, Curtis Shay und Hank Barnes! Möge der Teufel in der Hölle euch alle drei zu sich holen!«
Einen Augenblick lang zögerten sie, daß ich schon dachte, ich hätte gewonnen. Sie sahen sich an, und ich hätte Gelegenheit gehabt davonzulaufen…aber gerade da erhob sich ein vierter Junge hinter denselben Büschen, hinter denen sie sich versteckt hatten, und ich erstarrte, als ich ihn sah. Sein dunkles Haar war feucht und klebte an seinem Gesicht. Ich schluckte, mir wurde schwach. Mein Blut verwandelte sich in Wasser. O nein, nicht er, nicht auch er, niemals. Er würde so etwas doch nie tun. Er war gekommen, um mich zu retten, deshalb war er hier. Ich rief seinen Namen, bettelte, flehte ihn an, mich zu retten. Er schien wie in Trance, starrte vor sich hin, ohne etwas zu sehen. Was war nur los mit ihm? Warum hob er nicht einen Stein auf, einen Stock, irgend etwas, um sie zu schlagen? Warum griff er sie nicht mit bloßen Händen an…tat irgend etwas, um zu helfen?
So sollte es nicht sein. Er war mein Freund. Er stand wie gelähmt, und ich schrie seinen Namen…und er drehte sich um und lief davon!
Mein Mund öffnete sich, ich wollte ihn zurückrufen, aber ein schmutziger Lappen wurde hineingestopft. »Ich habe mich geirrt, Audrina. Du bist wirklich ein hübsches Ding.«
Sie rissen mir die Kleider vom Leib. Mein neues Kleid wurde vom Kopf bis zum Saum zerrissen und fortgeschleudert. Es landete auf einem Busch unter dem Goldregenbaum. Als nächstes wurde der hübsche Unterrock mit der irischen Spitze und den handgesticktenKleeblättern heruntergerissen und in den Schlamm getreten. Ich wehrte mich wie verrückt, als grobe Hände versuchten, mein Höschen herunterzuziehen; ich trat um mich, schrie, wand mich, versuchte, Augen zu zerkratzen, die mich mit ihren Blicken zu vergewaltigen suchten.
Dann zuckte der erste Blitz auf, Donner grollten. Ich hatte Angst davor, bei einem solchen Unwetter im Freien zu sein. Wieder schrie ich.
Es ging schnell, aber nicht schnell genug. Meine hübsche Unterhose wurde heruntergezerrt und zerrissen. Meine Beine wurden auseinandergedrückt, ein Junge hielt meinen Kopf…und jeder einzelne der drei spielte seine Rolle in meiner Schande. Doch noch während ich so gedemütigt wurde, dachte ich an ihn. Dieser Feigling hatte sich umgedreht und war davongelaufen! Er hätte bleiben und kämpfen können. Selbst wenn er verloren hätte, ich hätte ihm verzeihen können. Vielleicht hätten sie ihn getötet, wie sie mich töten würden…alles war besser als das hier…
Ich kam im Schaukelstuhl im Spielzimmer wieder zu mir. Die Augen hatte ich so weit aufgerissen, daß sie schmerzten. Ich hatte ihn wieder gesehen, mit vom Regen verklebten Haar. Arden! Das war der Name, den sie gerufen hatte…und er war davongelaufen. Oh, die Lügen, die sie mir erzählt hatten, nur damit ich nicht erfuhr, wer Arden war. Kein Wunder, daß Papa mich vor allen Jungs und vor allem vor Arden gewarnt hatte. Papa kannte ihn, wußte, was er war–ein Feigling, genauso schlimm wie die andern, vielleicht noch schlimmer, denn sie hatte ihn gekannt, hatte ihm vertraut, ihn für ihren Freund gehalten, und dann hatte er sich mir zugewandt…Jahre später?
Er war dort gewesen! Durch mich wollte er seinen Fehler wiedergutmachen.
Oh, oh, oh…jetzt wußte ich, warum mein Gedächtnis voller Löcher war. Ich hatte ihn schon früher in Visionen gesehen, oft, und hatte mich vergessen machen, daß er dort gewesen war, als diese Jungs sie vergewaltigt und dann getötet hatten, bloß weil sie eine Whitefern war und alle Dorfbewohner die Whiteferns haßten.
Papa hatte mich angelogen, als er sagte, daß die erste Audrina neun Jahre älter war! Vera hatte die Wahrheit
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