Das Netz im Dunkel
Möglichkeiten zu sehen, wann Sylvia Vertrauen hat. Ich fange an, sie kennenzulernen…«
O Gott! Sylvia durfte Vera nicht vertrauen, durfte nicht an sie glauben! Nicht gerade an Vera!
Als hätte sie mich sprechen gehört, schlurfte Sylvia in mein Blickfeld. Ich spürte, daß sie sich aus ihrer ständigen Kauerstellung erhoben hatte, erkannte auch, daß sie jetzt, da ich sie nicht mehr beschützen konnte, verzweifelt war.
In ihrer zickzackartigen Gehweise kam sie auf mein Bett zu, als wollte sie mich beschützen. Arme Sylvia. Ich hatte nie mehr gewollt, als sie vor Unheil zu bewahren, und jetzt mußte sie mich schützen.
Ihre wasserblauen Augen sahen mich ausdruckslos an. Es war, als würde sie durch mich hindurchblicken, an mir vorbei in weite Ferne.
Sylvia, Sylvia, welch eine Last sie immer gewesen war.
Mein Kreuz, das ich für den Rest meines Lebens zu tragen hatte. Doch jetzt war ich das Kreuz eines anderen. Ich versuchte das Selbstmitleid hinunterzuschlucken, das in mir aufstieg, und stellte fest, daß ich kaum meine Halsmuskeln bewegen konnte. Ich dachte jetzt an jenen fernen Tag, als Papa Sylvia zum ersten Mal heimgebracht hatte. Meine kleine Schwester, die neun Jahre jünger war und an genau meinem Geburtstag zur Welt gekommen war. Die Whitefern-Mädchen waren verflucht, kamen immer genau im Abstand von neun Jahren auf die Welt…
Hatte meine Tante Elsbeth deshalb immer gesagt: »Sonderbar, wirklich sonderbar«, und mich angeschaut, als wollte sie mir etwas sagen? Natürlich war es sonderbar. Mein Leben war auf Lügen aufgebaut. Die ältere Audrina war ja nicht neun Jahre älter gewesen als ich.
Warum dachte ich nur so etwas? Irgend etwas saß hinten in meinem Gehirn, etwas, das im Spielzimmer passiert war…etwas, das mich Arden hassen ließ…
»Auf Wiedersehen, Arden«, sagte Vera und durchbrach meine Träumerei, als sie zur Tür ging. Mein Mann blieb zurück, starrte ihr verzweifelt nach. Plötzlich kehrte alles wieder, was der Schaukelstuhl enthüllt hatte, und ich erinnerte mich, was Arden der ersten, der toten Audrina angetan hatte. Dennoch tat er mir in seinem schrecklichen Unglück leid–er mußte mich, ein Nichts inzwischen, unterhalten, mußte auch für Sylvia sorgen, eine ziellos umherwandernde Kreatur ohne Verstand,–oder er mußte fortgehen und nehmen, was er an Glück finden konnte–oder stehlen.
»Geh nicht fort!« schrie Arden. Seine Stimme war tief und heiser, als kämen ihm die Worte gegen seinen Willen über die Lippen. »Ich brauche dich, Vera. Ich liebe dich. Vielleicht nicht so, wie ich meine Frau liebe, aber es istdoch auch Liebe. Ich werde tun, was du willst, alles, was du willst. Gib mir bloß noch ein bißchen mehr Zeit. Gib Audrina ein bißchen mehr Zeit–und versprich, daß du Sylvia nichts antun wirst.«
Vera kam wieder zurück, ganz Lächeln, ihre Spinnenaugen funkelten. Ihre wollüstige Gestalt glitt in die eifrig geöffneten Arme meines Mannes. Sie verschmolzen miteinander, bewegten sich im Rhythmus tonloser Musik, als ihre Lust direkt vor meinen Augen von ihnen Besitz ergriff.
Doch manchmal ist die Natur barmherzig. Meine Sicht vernebelte sich. Ich schwebte davon, aber tief in mein Hirn eingegraben blieb der Gedanke, daß ich Sylvia retten und Arden vor einer Frau bewahren mußte, die ihn am Ende ruinieren würde. Nur–was kümmerte es eigentlich mich? Er hatte der ersten Audrina gegenüber versagt, als sie ihn am meisten gebraucht hatte…und da wußte ich es. Ardens Bestrafung war meine Pflicht, nicht Veras.
Ich mußte für Sylvia am Leben bleiben, mußte sie vor einem Heim bewahren. Papa mußte auch irgendwo sein–auch ihn mußte ich vor Vera retten. Aber wie, wenn ich mich nicht bewegen, nicht sprechen konnte?
Als die eintönigen Tage langsam verstrichen, lernte ich Vera wirklich kennen, wie nie zuvor, erkannte sie durch die grausamen Worte, die sie zu mir sagte. Da sie dachte, ich könnte nichts hören, sagte sie immer die Wahrheit.
»Ich wünschte, du könntest mich hören und sehen, Audrina. Ich schlafe mit deinem geliebten Arden. Er nennt es Liebe, aber ich weiß, was es ¡st. Er wird für alles bezahlen, was ich durchmachen mußte, um ihn zu bekommen. Er wird mir die Welt zu Füßen legen, dieses Haus,PapasVermögenundalles,wasdieseUngeheuerlichkeit beinhaltet, wird auf einer Auktion versteigert werden. Sobald erst einmal alles auf meinen Namen läuft, werde ich Sylvia loswerden…und Papa auch.«
Sie lachte grausam. »Arden ist in mancher
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