Das Netz im Dunkel
und bereit, alles zu tun, damit ich überlebe. Du lagst auf diesem Bett, steif und kalt–und woher sollte ich wissen, daß es dir von Tag zu Tag besserging, wenn du nie auch nur in irgendeiner Weise angedeutet hast, daß das der Fall war?«
Er stand auf, um im Zimmer auf und ab zu gehen, durchquerte es niemals in seiner vollen Länge, sondern stolzierte nur vor dem Sofa auf und ab, auf dem ich lag.
Mit einigen Schwierigkeiten kam ich auf die Füße.
»Ich gehe nach oben. Bitte komm mir nicht nach. Ich brauche dich nicht mehr, Arden. Ich weiß, daß du und Vera vorgehabt habt, mich umzubringen. Ich hatte solches Vertrauen zu dir, habe geglaubt, ich hätte den einen, einzigen Mann in dieser hassenswerten Welt gefunden, der immer für mich dasein würde, wenn ich ihn brauchte. Aber du hast mich im Stich gelassen. Du hast meinen Tod gewünscht, damit du sie haben konntest!«
Sein Gesicht wurde weiß. Er war so schockiert, daß es ihm die Sprache verschlug, obwohl er genau so geschwätzig geworden war wie Papa. Ich nutzte die Gelegenheit und eilte auf die Treppe zu. Doch einen Augenblick später stürzte er mir nach, hielt mich zurück. Es fiel ihm leicht, denn ich bewegte mich noch sehr langsam.
»Was liegt jetzt, da du mich haßt, noch vor uns?« fragte er heiser. Ohne zu antworten, ging ich weiter, vorbei an dem Zimmer, das wir geteilt hatten. Aber als ich hineinsah, erblickte ich darin mein normales, großes Bett, das zurückgebracht worden war. Das schmale war fortgeschafft worden. Alles war neu, nichts erinnerte mich mehr an jene schrecklichen Tage, als ich reglos dort gelegen hatte und nur sterben wollte.
»Wohin gehst du?« fragte er.
Welches Recht hatte er, mich irgend etwas zu fragen? Er gehörte nicht in mein Leben, jetzt nicht mehr. Sollte er Vera doch haben. Sie verdienten einander.
Unter Schmerzen ging ich weiter. Jeder Schritt gab mir mehr Kraft, und ich strebte der nächsten Treppe zu, die zum Dachboden hinaufführte. Arden schickte sich an, mir zu folgen. Ich wirbelte herum und fuhr ihn wütend an. »Nein! Laß mich endlich etwas tun, was ich schon immertun wollte! Als ich dort auf dem Bett lag und hörte, wie du und Vera Pläne geschmiedet habt, meinem Leben ein Ende zu machen–weißt du, was mich da am meisten beunruhigt hat? Nun, ich will es dir sagen. Es gibt ein Geheimnis um mich, das ich einfach herausfinden muß. Es ist wichtiger als du, wichtiger als alles andere. Also laß mich in Ruhe und laß mich etwas zu Ende bringen, was schon vor langer Zeit hätte erledigt werden müssen. Und vielleicht kann ich es dann ertragen, dir wieder ins Gesicht zu sehen…im Augenblick jedenfalls glaube ich, daß ich dich niemals mehr wiedersehen möchte!«
Er fuhr zusammen, schrak zurück und starrte mich fassungslos an. Mein Herz tat mir weh, als ich ihn wieder wie als Jungen vor mir sah, damals, als ich ihn so sehr geliebt hatte. Ich dachte an Billie, die mir einmal gesagt hatte, jeder würde Fehler machen und selbst ihr Sohn wäre nicht perfekt. Trotzdem strebte ich weiter dem Dachboden zu, der eisernen Wendeltreppe, die mich unter die Kuppel bringen würde, wo ich selbst jetzt die Mobiles klimpern hören konnte, klimpern, klimpern, als sie versuchten, wie sie es immer getan hatten, die Löcher in meinem Gedächtnis zu füllen.
Das Geheimnis der Mobiles
Mühsam gelang es mir, die Eisenstufen zu erklimmen, die mich so oft von Vera fortgeführt hatten. Die Sonne schien hell durch all die bleiverglasten, bunten Fenster, sie warfen Myriaden verwirrender Muster auf die Orientteppiche, verwandelten diesen Raum in ein lebendes Kaleidoskop. Und ich war der Mittelpunkt aller Farben, ließ alles geschehen. Die Farben fingen sich in meinem Chamäleonhaar und verwandelten es auch in einen Regenbogen.
Meine Arme waren vom Licht tätowiert, und in meinen Augen fühlte ich die Farben, die auch mein Gesicht zeichneten. Ich sah mich um, schaute auf die Szenen, die meine Kinderaugen so geliebt hatten. Hoch über mir sah ich die langen, schmalen Rechtecke aus buntem Glas, die an ihren verblichenen, scharlachroten Seidenfäden hingen.
Zitternd schaute ich mich um, erwartete, daß sich Erinnerungen aus der Kindheit erhoben und mir angst machten. Aber nur sanfte Erinnerungen kamen, von mir allein, einem Mädchen, das sich immer wünschte, zur Schule gehen zu dürfen, Spielkameraden zu haben, die Freiheit zu besitzen, die andere Kinder meines Alters hatten.
Hatte ich mir solche Mühe gegeben, kein neues Wissen zu
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