Das Netz im Dunkel
Tür hinter sich.
Ich fing an zu schaukeln. Mußte jetzt schaukeln, um vor dem Schmerz und dem Entsetzen zu fliehen, die nach mir griffen.
Mein voller Kelch leerte sich, um neuen Kummer aufzunehmen. Ich konnte mich nicht wehren. Ich sah Vera wieder, wie sie als junger Teenager ausgesehen hatte, und sie neckte mich, weil ich nicht wußte, was Männer und Frauen machten, um Kinder zu bekommen–aber eines Tages, schon bald, wirst du es herausfinden, flüsterte sie.
Dann kam wieder der regnerische Tag im Wald. Die Jungs jagten und packten mich, denn wie immer in diesen Visionen war ich die erste Audrina, und sie ließ mich unter ihrer Schande leiden. Diesmal war es Arden, der mir meine Kleider herunterriß, die ihre Kleider waren, und Arden, der über sie herfiel, die ich war, und der sie als erster vergewaltigte. Ich schrie, schrie wieder und wieder und wieder.
»Audrina«, kam die Stimme meines Vaters aus weiter, weiter Ferne, gerade, als ich nach ihm gerufen hatte. Diesmal hatte nicht Gott, sondern Papa mein Rufen gehört…und gerade noch rechtzeitig.
»Oh, lieber Gott, meine süße Audrina ist aus ihrem Koma erwacht! Sie schreit! Sie wird gesund werden!«
Meine Lider fühlten sich tonnenschwer an, öffneten sichgerade genug, um Papa auf mich zurennen zu sehen. Ein paar Schritte hinter ihm war Arden. Aber ich wollte Arden nicht sehen.
»Mein Liebling, mein Liebling«, schluchzte Papa, als er mich in seine starken Arme schloß und mich festhielt. »Arden, ruf einen Krankenwagen.«
Ich stöhnte, als ich Ardens Hände zurückschob, die mich aus Papas Armen nehmen wollten. »Der Traum, Papa, die erste Audrina…«
Meine Stimme krächzte, so lange war sie nicht gebraucht worden. Sie hörte sich komisch an.
Er seufzte und zog mich noch näher an sich, obwohl ich das Bewußtsein verlor. Ich sah Arden davoneilen, wahrscheinlich, um einen Krankenwagen zu rufen.
»Ja, mein Liebling, aber das war schon vor langer, langer Zeit, und du wirst jetzt wieder ganz gesund. Papa wird sich um dich kümmern. Und für den Rest meines Lebens werde ich Gott auf den Knien dafür danken, daß er dich verschont hat, gerade in dem Augenblick, als ich dachte, es gäbe keine Hoffnung mehr.«
Ich kann mich nicht erinnern, was danach geschah. Aber als ich zu mir kam, lag ich in einem Krankenhauszimmer mit rosa Wänden, und überall standen rote und rosa Rosen. Papa saß auf einem Stuhl neben dem Fenster. »Lassen Sie mich mit ihr sprechen«, sagte er zu der Krankenschwester, die nickte und ihn aufforderte, nicht zu lange zu bleiben. »Mr. Lowe möchte seine Frau auch noch sehen.«
Papa setzte sich aufs Bett, zog mich sanft an sich und hielt meinen Kopf so, daß ich sein Herz schlagen hörte. »Du hast Schweres mitgemacht, Audrina. Es gab Zeiten, da haben weder Arden noch ich geglaubt, du würdestdurchkommen–und das war lange vor dem heutigen Tag. Heute war ein besonders schlimmer Tag für uns beide. Wir sind draußen auf und ab gegangen, während der Arzt dich untersucht hat–und jetzt scheint es, daß du wieder ganz in Ordnung kommst.«
Aber da war etwas, das ich wissen wollte, wissen mußte. »Papa, du mußt mir diesmal die Wahrheit sagen…«
Meine Kehle schmerzte, wenn ich sprach, aber ich zwang mich dennoch dazu. »War Arden dabei, als die erste Audrina starb? Ich hab’in meinen Träumen sein Gesicht gesehen. Er war dort, nicht wahr? Die erste Audrina hat mich vor ihm gewarnt, aber ich habe nicht auf sie gehört.«
Er zögerte, schaute zu der Tür hinüber, die Arden geöffnet hatte. Da stand er und sah so bestürzt aus wie nie zuvor, außer an dem Tag im Wald, als er noch ein Junge gewesen war, der keinen Mut gehabt hatte.
»Nur zu, Damián«, sagte Arden. »Erzähl ihr die Wahrheit. Sag ihr, daß ich dagewesen bin und daß ich fortgelaufen bin! Genauso wie ich jetzt auch gehen werde, denn ich sehe in deinen Augen, daß du mich haßt, Audrina. Aber ich komme wieder.«
In den Tagen, die jetzt folgten, weigerte ich mich, Arden in mein Zimmer zu lassen. Er brachte Blumen, Pralinen, hübsche Nachthemden und Bettjäckchen, aber ich schickte alles zu ihm zurück.
»Sag ihm, er soll es Vera geben«, sagte ich zu Papa, der mich ernst ansah, als er die Tränen über meine Wangen laufen sah.
»Du bist sehr hart zu ihm, aber ich kann dich verstehen. Trotzdem mußt du jetzt durchhalten«, befahl Papa, als ich schlafen wollte. »Seit der Nacht deines Sturzes haben Arden und ich die Hölle durchgemacht. Ich gebe zu, daßich niemals
Weitere Kostenlose Bücher