Das Netz im Dunkel
sie ihrer eigenen Tochter antat. Es war die Schande, die deine Mutter zu entfernen versuchte, und sie schien nicht zu bemerken, daß die Bürste einen großen Teil von Audrinas Haut mitriß.
Die Kinder, die zur Geburtstagsfeier eingeladen worden waren, brüllten unten nach Eis und Kuchen, und Elsbeth tischte auf und erzählte den Gästen, daß Audrina mit einer bösen Erkältung heimgekommen sei und an ihrer eigenen Feier nicht teilnehmen würde.
Das ging natürlich nicht gut, und bald gingen die Gäste heim. Ein paar ließen ihre Geschenke da, andere nahmen ihre wieder mit, als hätten sie das Gefühl, Audrina würde sie geringschätzig behandeln.
Elsbeth rief mich im Büro an und erzählte mir kurz, was sie dachte, was geschehen war. Ich war so wütend, daß ich dachte, ich müßte einen Herzschlag bekommen, als ich zu meinem Wagen rannte und so schnell heimraste, daß es ein Wunder ist, daß die Polizei mich nicht anhielt. Ich kam gerade rechtzeitig an, um zu sehen, wie deine Mutter ein weißes Baumwollnachthemd über Audrinas Kopf zog. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf diesen kleinen, zerschundenen Körper, so rot war er, daß er überall zu bluten schien. Ich hätte diese Jungs umbringen, deineMutter schlagen können, weil sie so grausam war, diese verdammte Bürste für die zarte Haut zu benutzen, die schon so viel erlitten hatte. Ich habe ihr das niemals verziehen. Später hatte ich meine eigene Art, ihr das immer wieder ins Gesicht zu schleudern, boshaft und gemein. Als sie Audrina mit dieser Bürste bearbeitete, setzte sich in ihr der Gedanke fest, daß dieser Schmutz niemals weichen würde, daß sie für alle Zeit in meinen Augen ruiniert sei, in den Augen der ganzen Welt. Dann ging deine Mutter zum Medizinschränkchen und kam mit Jod zurück…nicht die Art, wie wir sie heute benutzen, sondern diese altmodische, die brannte wie Feuer.
Ich schrie Lucietta an:»Nicht noch mehr Schmerz!« und sie ließ das Jod fallen, und Audrina wich vor ihrer Mutter zurück. Sie schien entsetzt, mich zu sehen, den Vater, den sie immer so sehr geliebt hatte. Auf bloßen Füßen flog sie zum Dachboden hinauf. Ich jagte ihr nach, auch deine Mutter folgte. Die ganze Zeit über schrie Audrina, zweifellos ebenso sehr vor Schmerzen wie vor Entsetzen und Schock. Sie rannte diese Wendeltreppe hinauf in den Raum, in dem wir uns jetzt befinden. Sie war jung und schnell, und als ich in die Kuppel kam, stand sie auf einem Stuhl, und es war ihr gelungen, eines der hohen Fenster zu öffnen.«
Er zeigte auf das Fenster. »Da hat sie gestanden, und der Wind heulte im Turm, Donner grollte, Blitze zuckten, und die Farben hier drinnen wollten einem den Verstand rauben, so grell waren sie. Die Mobiles klimperten wie verrückt. Es war die Hölle hier oben. Und Audrina da auf dem Stuhl hatte schon ein Bein aus dem Fenster und schickte sich an zu springen, als ich zu ihr raste und sie packte und wieder hereinzerrte. Sie wehrte sich, schlug nach meinem Gesicht, schrie, als würde ich für sie alles repräsentieren, was böse war, und wenn sie mich verletzte,würde sie alle Männer verletzen…auch die, die ihren Stolz geraubt hatten, als sie ihren Körper vergewaltigten.«
Ich wand mich, starrte zu den Mobiles hinauf, die jetzt still an ihren Seidenbändern hingen. Und doch glaubte ich, ich könnte sie leise klingeln hören.
»Es geht noch weiter, Liebling, viel weiter. Möchtest du warten bis zu einem anderen Tag, an dem du dich kräftiger fühlst?«
Nein, ich hatte schon zu lange gewartet. Jetzt hieß es: Jetzt oder nie. »Weiter, Papa, erzähl mir alles.«
»Ich habe deiner Mutter wieder und wieder gesagt, sie hätte Audrina nicht baden sollen. Sie hätte sie trösten müssen, und später hätten wir dann zur Polizei gehen können. Aber deine Mutter wollte nicht, daß sie von noch mehr Männern beschämt wurde, die ihr alle möglichen, intimen Fragen gestellt hätten, die ein Kind nicht zu beantworten haben sollte. Ich war so wütend, daß ich diese Jungs mit bloßen Händen hätte umbringen können, ihnen den Hals umdrehen, sie kastrieren, irgend etwas so Schreckliches hätte tun können, daß man mich zweifellos lebenslänglich ins Gefängnis gesperrt hätte…aber meine Audrina wollte ihre Namen nicht nennen…oder konnte sie nicht nennen aus Angst vor ihrer Rache. Vielleicht hatten sie ihr gedroht, ich weiß es nicht.«
Und Arden war auch dort gewesen. Arden war dort gewesen, und sie hatte ihn um Hilfe angefleht–und er war
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