Das Netz im Dunkel
Namen…genau…richtig ge…sagt.«
»Aud…driii…naa.«
Sie strahlte mich an und wollte anhalten, spielen oder reden.
»Versteck mich…«, konnte ich gerade noch flüstern, ehe ich halb ohnmächtig wurde.
Dann bewegte sich plötzlich alles auf mich zu. Die Wände kamen näher, zogen sich wieder zurück. Schnickschnack auf den Tischen im Korridor bewegte sich, kleine Figürchen wurden plötzlich riesig. Das Muster des Teppichs schlängelte sich um mich, versuchte mich zu ersticken, als ich gegen die Schwärze ankämpfte, die mich wieder zu verschlingen drohte. Ich mußte wach bleiben, durfte nicht die Kontrolle über mich verlieren, sonst würde ich vom Karren fallen. Stunden um Stunden, in denen Sylvia hinter mir herkroch, mich anstieß. Wohin brachte sie mich?
Plötzlich war die Vordertreppe direkt vor uns. Nein! Ich wollte schreien, aber Entsetzen machte mich stumm. Sylvia wollte mich die Treppe hinabstoßen!
»Aud…driii…na«, sagte sie, »süße Aud…driii…naa.«
Langsam und vorsichtig machte der Karren eine Kurve, fort von der Treppe und den westlichen Flügel entlang, in dem sich das Zimmer der ersten Audrina befand.
Ich war nahe daran, das Bewußtsein zu verlieren. Von Zeit zu Zeit durchzuckte mich heftiger Schmerz. Ich begann leise zu beten. Unten hörte ich die Haustür zuschlagen.
Mit kaum merklich vergrößerter Geschwindigkeit bog Sylvia ins Spielzimmer ein.
Nein, nein, nein, war alles, was ich denken konnte, als Sylvia mich in das Zimmer schob, in dem all meine Alpträume begonnen hatten. Vor mir ragte das hohe Bett auf. Sylvia schob mich direkt darunter. Ich ließ meine Hände los und fiel nach hinten, um einen Zusammenstoß mit der Bettkante zu vermeiden. Es war gerade noch rechtzeitig. Mein Blick traf auf altmodische, mit dem Staub von Jahren bedeckte Sprungfedern. Sylvia spähte unter der Überdecke hindurch und ließ sie dann fallen.
Ihre langsamen Schritte verklangen. Ich war allein unter dem Bett mit dem Staub–und der riesigen Spinne, die ihr Netz von einer Feder zur anderen spannte. Sie hatte Augen, die genauso schwarz waren wie Veras. Anscheinend auf mich aufmerksam geworden, unterbrach sie ihre Arbeit, betrachtete mich und fuhr dann in ihrem halbfertigen Werk fort.
Ich schloß die Augen und überließ mich meinem Schicksal, was immer es für mich bereithalten mochte. Ich versuchte zu entspannen und mir keine Sorgen um Sylvia zu machen, die vielleicht vergessen haben würde, wo siemich versteckt hatte. Wer würde je auf die Idee kommen, mich unter dem Bett in diesem Zimmer zu suchen, das niemand mehr benutzte?
Dann hörte ich Vera kreischen. »Sylvia! Wo ist Audrina? Wo ist sie?«
Es gab einen Krach, als wenn etwas umgefallen wäre, dann noch einen Schrei, näher diesmal. »Ich kriege dich schon, Sylvia, und wenn ich dich habe, wirst du bedauern, daß du diese Vase nach mir geworfen hast! Du Närrin, was hast du mit ihr gemacht? Wenn ich dich erwische, reiße ich dir alle Haare aus!«
Ich hörte Türen öffnen und schließen, als die Jagd auf Sylvia weiterging. Ich wußte nicht einmal, daß Sylvia rennen konnte. Oder war es Vera, die, so schnell sie konnte, lief, um jedes Zimmer zu durchsuchen, ehe Arden und Papa heimkehrten?
Sie suchte so eilig, daß sie kaum gründlich vorgehen konnte. Es gab so viele Zimmer, so viele Schränke und Vorzimmer.
Dann hörte ich sie ins Spielzimmer kommen.
Die Tagesdecke endete ungefähr einen Zentimeter über dem Teppich. Unter Schmerzen drehte ich den Kopf, konnte einfach nicht widerstehen, und sah ihre marineblauen Schuhe näher kommen. Einer hatte eine sehr dicke Sohle. Sie näherte sich dem Bett.
Der Schaukelstuhl fing an, die vertrauten, knarrenden Geräusche zu machen. »Steh aus diesem Stuhl auf!« fuhr Vera auf, vergaß, unters Bett zu schauen, als sie Sylvia fortjagte. Vera brüllte, als Sylvia aus dem Zimmer eilte. Hinkend lief sie ihr nach.
Ich konnte ihre Schuhe gerade noch davonlaufen sehen. Ich glaube, dann bin ich ohnmächtig geworden. Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging, ehe ich wieder Schritte hörte,und wieder spähte Sylvia unters Bett.
Sie zerrte an meinem Arm. Ich versuchte zu helfen, aber die Schmerzen waren jetzt zu groß. Trotzdem gelang es ihr irgendwie, und als ich später zu mir kam, saß ich in dem Schaukelstuhl im schwindenden Tageslicht. Sylvia hob meine Arme hoch, so daß ich die Armlehnen halten konnte. Ich schrie. Ich wollte nicht sterben! Nicht hier, nicht in ihrem Stuhl!
Sylvia schloß die
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