Das Netz im Dunkel
habe mir Vorwürfe gemacht, weil ich sie geärgert hatte. Ich dachte, ich hätte in meiner Unschuld irgend etwas angestellt, was in ihnen böse Gedanken erweckt hat; aber ich konnte mich nicht erinnern, irgend etwas gesagt oder getan zu haben, um auf sie den Eindruck zu machen, ich wäre nicht das nette Kind, das Papa in mir sah. Du bist es gewesen, die ihnen verraten hat, welchen Pfad ich wählen würde!«
Gegen meinen Willen wurde meine Stimme lauter, nahm einen anklagenden Tonfall an. Ich stand auf, machte ein paar Schritte auf sie zu.
»Ach, hör doch auf!« kreischte sie. »Das ist doch alles längst vorbei! Woher sollte ich denn wissen, daß du nicht gehorchen würdest, daß du gegen den Wunsch deiner Eltern durch den Wald laufen würdest? Es war nicht meine Schuld, sondern deine eigene!«
»Moment mal!« mischte sich Papa ein, sprang auf die Füße und eilte an meine Seite, und auch Arden kam näher. »Ich habe im Dorf schon oft flüstern gehört, daß jemand aus diesem Haus hier meine Tochter verraten hat. Ich dachte, es wäre der Junge gewesen, der unsere Büsche stutzte und den Rasen mähte. Aber natürlich, du mußt diejenige gewesen sein! Er war nicht aus diesem Haus…wir haben eine Schlange in unserer Mitte genährt. Wer sonst hätte sich sehnlicher wünschen können, daß Audrina verletzt wurde, als das ungewünschte Kind, das nicht einmal wußte, wer sein Vater war!«
Vera schien verschreckt, wich zurück.
»Möge deine Seele in der ewigen Verdammnis der Hölle schmoren!« brüllte Papa und trat drohend vorwärts, alswollte er mitVera ein Ende machen. »Damals dachte ich, es wäre ein zu großer Zufall. An ihrem Geburtstag–aber deine Mutter sagte immer wieder, daß du unschuldig wärst. Jetzt weiß ich es besser. Du hast mit diesen Jungs besprochen, daß sie meine Audrina vergewaltigen!«
Vera fuhr sich mit der Hand an die Kehle und versuchte, mit dem gebrochenen Arm hinter sich zu tasten. In ihren großen, dunklen Augen, die Papas so ähnlich sahen, stand nackte Angst.
Sie schrie ihn an: »Ich bin deine Tochter, und du weißt es! Leugne es nur, wenn du willst, Damián Adare, aber ich bin genau wie du! Ich werde alles tun, um zu bekommen, was ich haben will–genauso wie du. Ich hasse dich, Damián, hasse dich wirklich! Ich hasse die Frau, die mich geboren hat! Ich habe jeden einzelnen Tag gehaßt, an dem ich in dieser Hölle leben mußte, die ihr Whitefern nennt! Du hast meiner Mutter einen Scheck gegeben, als sie nach New York kommen und bei mir sein wollte…und er war nicht gedeckt. Ein verdammter, ungedeckter Scheck, um sie für all die Jahre zu bezahlen, in denen sie nichts als eine Sklavin in deinem Haus gewesen ist.«
Papa machte einen weiteren, drohenden Schritt auf Vera zu. »Kein Wort mehr, Mädchen, oder du wirst den Tag bedauern, an dem du geboren wurdest! Seit dem Tag, an dem deine Mutter dich hierhergebracht hat, warst du nichts weiter als ein Dorn in meinem Auge. Und du bist es gewesen, die mir freiwillig erzählt hat, daß Arden Lowe bei der Vergewaltigung meiner Tochter anwesend war und daß er nichts getan hatte, um sie zu retten. Du hast gelacht, als du mir erzählt hast, daß er davongerannt ist. Du warst voller Schadenfreude. Wenn du mich nicht daran erinnert hättest, hätte ich es vielleicht vergessen.«
Papas Augen verengten sich gefährlich.
Wie eine Tigerin sprang Vera vor, um Papa gegenüberzutreten. Sie schien ihren gebrochenen Arm zu vergessen, schien zu vergessen, daß sie eine Frau und er ein riesiger, kräftiger Mann war, der rücksichtslos sein konnte, wenn es um sie ging.
»Du!« spie sie ihm entgegen. »Was, zum Teufel, kümmert es mich, was du denkst? Du hast mir nichts gegeben, nachdem Audrina geboren war. Du hast mich behandelt, als existierte ich nicht, nachdem die süße Audrina aus dem Krankenhaus heimkam. Ich wurde aus dem hübschen Zimmer gedrängt, das du für mich eingerichtet hattest, und es wurde in ein Kinderzimmer für sie verwandelt. Es hieß nur noch die süße Audrina hier, die süße Audrina da, bis ich hätte kotzen können. Niemals hast du auch nur ein einziges nettes Wort zu mir gesagt. Du hast mich überhaupt nur bemerkt, wenn ich krank oder verletzt war. Ich wollte, daß du mich liebst, und du hast dich geweigert, irgend jemanden außer deine Audrina zu lieben…«
Sie schluchzte und eilte zu Arden, preßte ihr Gesicht an seine Brust. »Bring mich fort von hier, Arden…bring mich fort. Ich möchte spüren, daß mich jemand
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