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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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schaffen.«
    Er antwortete nicht. Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.
    Erst jetzt stand ich auf und zog einen Morgenrock an, ehe ich nach Sylvia sah. Aber sie war nicht in ihrem Zimmer. Ich fand sie in dem Spielzimmer, das einmal mir gehört hatte. Sie schaukelte sanft und summte ihr merkwürdiges, kleines Lied. Ich sah mich um mit meiner neuen Erkenntnis und erkannte die Puppen, die Papa beim Schießen auf einem Jahrmarkt gewonnen hatte. Und dann all die Plüschtiere!
    Ich starrte in Sylvias hübsches, junges Gesicht, als sie unschuldig summte wie eine der Hexen aus Papas Geschichten von seinen Vorfahren. Diese Geschichten, die mich einst dazu gebracht hatten, einen Hexenfluch auszustoßen, um die Jungs aufzuhalten, die keine Angst davor hatten…
    Kleine Puppen erschienen in Sylvias Händen, die sie anscheinend aus den Taschen ihres losen Kleides gezogen hatte. Winzige Püppchen, die ich selbst gekauft hatte, um ihr eine Freude zu machen. Puppen, geschlechtslose Wesen, aber irgendwo erschienen sie mir plötzlich mehr wie Jungs als wie Mädchen.
    Arden war hinter mir hergekommen und stand da, beobachtete uns. Sylvia starrte uns an, ehe sie langsam aus dem Zimmer schlurfte.
    »Setz dich«, brummte Arden, zog mich ins Spielzimmer und drückte mich in den Schaukelstuhl. Er ging neben mir in die Knie und versuchte, meine Hand zu halten. Ich setzte mich darauf, um sie vor ihm zu bewahren. Er seufzte, und ich dachte an Billie und all die kleinen Hinweise, die sie mir zu geben versucht hatte, um mir klarzumachen, daß ihr Sohn nicht perfekt war. Aber ich wollte ihn perfekt.
    Vielleicht stand das in meinen Augen, als ich ihn anfunkelte, als ich ihm jetzt Vorwürfe machte, außer mir und enttäuscht, weil er mich im Stich gelassen hatte, als ich ihn am meisten brauchte. Trauer und schlechtes Gewissen spiegelten sich in seinen Augen, so daß ich fast seine Gedanken lesen konnte. Er hatte soviel von mir in Kauf genommen, um die Geschehnisse dieses schändlichen Tages wiedergutzumachen. Selbst jetzt liebte ich ihn noch, obwohl ich seine Schwäche verabscheute.
    »Das ist der Augenblick, vor dem ich mich seit dem Tag deines neunten Geburtstags gefürchtet habe. Ich eilte damals heim, wollte zu eurem Haus rasen und rechtzeitig für deine Feier dort sein. Ich war noch nie in Whitefern gewesen, und es war ein großer Tag für mich. Auf dem Weg durch den Wald ins Häuschen hielten mich drei Jungs an. Sie forderten mich auf, in der Nähe zu bleiben und mich zu amüsieren. Ich wußte nicht, was sie meinten. Das bißchen Freizeit, das ich hatte, verbrachte ich mit Arbeit, und Spaß mit älteren Jungs war etwas, was ich nicht kannte. Es freute mich, daß ich endlich einer von ihnen werden sollte, und so schloß ich mich ihnen an, als sie mich aufforderten, mich hinter den Büschen zu verstecken. Dann kamst du den Sandweg entlanggehüpft,hast vor dich hin gesungen. Keiner sagte ein Wort. Als sie herausstürzten und losrannten, um dich zu fangen, und als ich hörte, wie du sie anschriest, wie sie brüllten, was sie dir antun wollten, da war das wie ein Alptraum. Meine Arme und Beine waren wie betäubt…ich wußte nicht, was ich tun sollte, um sie aufzuhalten. Mir war übel vor Angst um dich, und mir wurde schwach, so sehr haßte ich sie…und ich konnte mich nicht rühren. Audrina, ich habe mich gezwungen, aufzustehen…und da hast du mich gesehen. Du hast mich mit Blicken angefleht, mit Schreien, ehe sie dir etwas in den Mund stopften…und die Scham, wie gelähmt zu sein, ließ mich noch schwächer werden. Ich wußte, daß du mich verachten würdest, weil ich nichts tat, so, wie ich mich noch immer dafür verachte, nichts anderes getan zu haben, als loszurennen, um Hilfe zu holen. Deshalb bin ich gerannt, denn ich hatte keine Chance im Kampf gegen sie. Einer gegen einen, hätte ich vielleicht noch gewinnen können, aber gegen drei…Audrina, es tut mir leid. Ich weiß, daß das nicht ausreicht. Heute wünschte ich, ich wäre geblieben und hätte versucht, dich zu verteidigen–dann würdest du mich jetzt nicht mit soviel Zorn in deinen Augen anstarren.«
    Er machte eine Pause und streckte die Arme aus, zog mich an sich, und vielleicht dachte er auch, er könnte mit seinen Küssen ein anderes Feuer entfachen, ähnlich dem auf dem Friedhof, und ich würde wieder ihm gehören und ihm vergeben.
    »Vergib mir, daß ich damals versagt habe, Audrina. Vergib mir, daß ich immer versagt habe, wenn du mich wirklich gebraucht hast…gib

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