Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
Frisur die Strenge zu nehmen und Mammi ein elegantes Aussehen zu verleihen.
    Als nächstes kam meine Tante in ihrem besten Gewand, einem dunklen, marineblauen Kostüm mit weißer Bluse. Wie immer trug sie ihr glänzendschwarzes Haar im Knoten tief im Nacken. Winzige Brillanten steckten in ihren Ohren, und an ihrem kleinen Finger trug sie einen Rubinring. Sie sah genauso aus, wie man sich eine Lehrerin vorstellt.
    »Ellie, würdest du Mercy Marie einlassen?« bat Mammi. Dienstag war der einzige Tag, an dem meine Mutter ihre Schwester so nennen durfte. Nur Papa konnte meine Tante jederzeit Ellie nennen.
    »Du bist spät, meine Liebe«, sagte Tante Elsbeth und stand auf, um den Deckel des Pianos zu heben und den schweren Silberrahmen hervorzuziehen, in dem das Foto einer dicken Frau mit wirklich liebem Gesicht steckte.
    »Wirklich, Mercy Marie, wir dachten schon, du würdest gar nicht mehr kommen. Aber du hattest schon immer die ärgerliche Angewohnheit, zu spät zu kommen. Wahrscheinlich, um Eindruck zu machen. Aber du würdest auch Eindruck machen, wenn du früher kommen würdest, meine Liebe.«
    Mammi kicherte, während meine Tante sich setzte und die Hände im Schoß faltete. »Das Klavier ist doch hoffentlich nicht zu hart für dich? Aber es ist wenigstens kräftig genug…hoffe ich.«
    Wieder kicherte Mammi. Ich rutschte unruhig hin und her, denn ich wußte, das Schlimmste kam erst noch. »Ja, Mercy Marie, wir verstehen schon, warum du immer zu spät kommst. Es muß schon sehr anstrengend sein, immer vor diesen leidenschaftlichen Wilden davonzurennen. Aber du solltest wirklich wissen, daß man munkelt, du wärest von einem Kannibalenhäuptling gekocht und zum Abendessen verspeist worden. Lucietta und ich sind entzückt, zu sehen, daß das nur ein bösartiges Gerücht war.«
    Sorgfältig schlug Tante Elsbeth die Beine übereinander und starrte auf das Porträt auf dem Klavier. Es stand genau da, wo normalerweise die Notenblätter lehnen. Es gehörte zu Mammis Rolle, aufzustehen und die Kerzen im Kristalleuchter anzuzünden, während das Feuer prasselte und knackte und die Gaslampen flackerten, so daß die Kristallzapfen der Leuchter bunte Farben einfingen und durch das Zimmer sandten.
    »Elsbeth, meine Liebe«, sagte meine Mutter für die tote Frau, die mitmachen mußte, auch wenn ihr Geist häufig rebellierte. »Ist das eigentlich das einzige Kostüm, das du besitzt? Du hast es letzte Woche und auch in der Woche davor getragen. Und dann dein Haar, du lieber Gott, warum trägst du nicht mal eine andere Frisur? So siehst duaus wie sechzig!«
    Mammis Stimme war immer unerträglich süß, wenn sie für Tante Mercy Marie sprach.
    »Mir gefällt meine Frisur«, erwiderte meine Tante spröde. Dabei beobachtete sie meine Mutter, die den Teewagen hereinrollte. Er war hoch mit all den Leckerbissen beladen, die Mammi vorbereitet hatte. »Wenigstens versuche ich nicht, wie eine verwöhnte Frau auszusehen, die ihre ganze Zeit damit verbringt, einem egoistischen Sexmolch zu gefallen. Ich weiß natürlich, daß das die einzige Art von Mann ist, die es gibt. Genau darum bleibe ich ja auch allein.«
    »Ich bin sicher, daß das der einzige Grund dafür ist«, sagte meine Mutter mit ihrer eigenen Stimme. Dann sprach sie wieder für das Foto auf dem Klavier. »Aber, Ellie, ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als du selbst wahnsinnig in einen egoistischen Irren verliebt warst. So sehr verliebt, daß du mit ihm ins Bett gegangen bist und sein Kind bekommen hast. Zu schade, daß er dich nur dazu benutzt hat, seine Bedürfnisse zu befriedigen; zu schade, daß er sich nie in dich verliebt hat.«
    »Ach, der«, schnaubte meine Tante verächtlich. »Das war doch bloß eine kurzfristige Beziehung. Seine animalische Ausstrahlung hat mich vorübergehend angezogen, aber ich hatte genug Verstand, um ihn zu vergessen und mich Besserem zuzuwenden. Ich weiß, daß er sofort eine andere gefunden hat. Die Männer sind doch alle gleich–selbstsüchtig, grausam, fordernd. Ich weiß jetzt, daß er den schlimmsten aller Ehemänner abgegeben hätte.«
    »Zu dumm, daß du nicht einen so wundervollen Mann gefunden hast wie Lucky«, sagte die süße Stimme vom Klavier, als sich meine Mutter setzte, um an einemwinzigen Sandwich zu knabbern.
    Ich starrte auf das Bild einer Frau, an die ich mich nicht erinnern konnte, obwohl Mammi sagte, ich hätte sie kennengelernt, als ich vier Jahre alt war. Sie schien sehr reich gewesen zu sein. Brillanten hingen an

Weitere Kostenlose Bücher