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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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albern. Sie war so betrunken, daß ich am liebsten geweint hätte. »Sprich nicht mehr davon, Ellie. Dadurch bekomme ich zu großes Selbstmitleid. Mr. Johanson wäre so enttäuscht von mir. Ich hoffe, er ist tot und hat niemals herausgefunden, daß ich es zu nichts gebracht habe.«
    »Hast du ihn geliebt, Lucietta?« erkundigte sich meine Tante freundlich.
    Ich spitzte die Ohren. Vera schaute von ihrem Spiel mit dem großen, nackten Mann auf, dessen Herz sie in der Hand zerquetschte.
    Mr. Ingmar Johnson war der Musiklehrer meiner Mutter gewesen, als sie noch ein junges Mädchen war. »Als ich fünfzehn und voller romantischer Gefühle war, da habe ich schon gedacht, ich würde ihn lieben.«
    Mammi seufzte und wischte sich eine Träne fort, die über ihre Wange lief. Sie wandte den Kopf ab, so daß ich ihr schönes Profil sah, und starrte zum Fenster hinaus. Die Wintersonne fiel nur schwach ins Zimmer und warf blasse Lichtflecken auf den Orientteppich.
    »Er war der erste Mann, der mir einen richtigen Kuß gegeben hat…die Jungs in der Schule hatten das auch getan, aber seiner war der erste, richtige Kuß.«
    Waren denn nicht alle Küsse gleich?
    »Mochtest du seine Küsse?«
    »Ja, Ellie, recht gern sogar. Sie erweckten eine Sehnsucht in mir. Ingmar hat mich erweckt und mich dann unerfüllt gelassen. Damals lag ich so manche Nacht wach, und selbst jetzt noch wache ich manchmal auf und wünsche mir, ich hätte ihn fortfahren lassen, hätte ihn beenden lassen, was er angefangen hatte, anstatt nein zu sagen und mich für Damián aufzuheben.«
    »Nein, Lucietta, du hast es richtig gemacht. Damián hätte dich niemals geheiratet, wenn er auch nur vermutet hätte, daß du keine Jungfrau mehr seiest. Er behauptet zwar, ein moderner, liberaler Mann zu sein, aber im Grunde ist er konservativ. Du weißt verdammt gut, daß er nicht mit dem fertig geworden ist, was Audrina geschah, genausowenig wie sie…«
    Was meinte sie damit? Wie hätte die erste Audrina mit etwas fertig werden können, wenn sie sie doch tot im Wald gefunden hatten? Plötzlich drehte sich Mammi um, sah mich halb verborgen hinter dem Farn. Sie starrte mich an, als müßte sie ihre Gedanken erst ordnen, ehe sie sprechen konnte. »Audrina, warum versuchst du, dich zu verstecken? Komm her und setz dich auf einen Stuhl, wie eine Dame. Warum bist du so still? Sag doch ab und zu etwas. Niemand mag einen Menschen, der nicht weiß, wie man sich unterhält.«
    »Was war es, womit die erste Audrina genausowenig fertiggeworden ist wie Papa?« fragte ich, stand auf und ließ mich dann gar nicht damenhaft in einen Sessel fallen.
    »Audrina, sei vorsichtig mit der Teetasse!«
    »Mammi, was ist meiner toten Schwester eigentlich genau zugestoßen? Was hat sie getötet–eine Schlange?«
    »Das ist doch keine Unterhaltung«, fuhr Mammi mich zornig an. »Wirklich, Audrina, wir haben dir alles über den Unfall deiner Schwester erzählt, was du wissen mußt. Vergiß nicht, sie wäre noch am Leben, wenn sie uns gehorcht hätte. Ich hoffe, du wirst immer daran denken, wenn du glaubst, du müßtest dich auflehnen, und meinst, Ungehorsam sei ein gutes Mittel, dich an deinen Eltern zu rächen, die versuchen, das Beste für dich zu tun.«
    »War die erste Audrina schwierig?« fragte ich in der Hoffnung, zu hören, daß sie nicht perfekt gewesen war.
    »Jetzt reicht es aber wirklich. Denk nur immer daran, daß der Wald verbotenes Gebiet ist.«
    »Aber Vera geht doch auch in den Wald…«
    Vera war aufgestanden und stand hinter dem Sofa. Sie lächelte meiner Mutter zu, und dieses Lächeln sagte mir, daß sie den Grund für den Tod meiner Schwester kannte. Plötzlich wünschte ich, sie hätte Mammis Warnung nicht mitgehört, denn damit hatte Vera eine zusätzliche Waffe gegen mich in der Hand.
    Danach löste sich die Gesellschaft auf. Ich würde wohl nie eine glanzvolle Gesellschafterin abgeben. Tante Elsbeth legte das Foto fort, Vera hinkte zu ihrem Zimmer hinauf und nahm einen Teil des nackten Mannes mit, und ich saß allein im neurömischen Salon. Ich wußte jetzt, daß ich keine direkten Fragen stellen und eine offene Antwort darauf erwarten konnte. Ich mußte es lernen, heimtückisch zu werden, hinterlistig wie alle anderen, sonst würde ich niemals etwas erfahren, nicht einmal die Tageszeit.
    In jener Woche war der Valentinstag. Nach der Schule hinkte Vera mit einem Papiersack voller Valentinsgeschenke heim, die sie alle von ihren Freunden bekommen hatte. Mit einem riesigen, roten

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