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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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für dich«, fuhr sie Vera scharf an. War Vera wirklich so viel älter, als ich dachte? Himmel, warum konnte ich nicht von allen das Alter wissen? Sie wußten doch auch, wie alt ich war. »Fang bloß nicht an, ihm schönzutun, Vera, sonst wirft Damián uns beide hinaus.«
    »Ich habe keine Angst vor Papa«, sagte Vera. »Ich weiß, wie man Männer behandeln muß. Ein Kuß, eine Umarmung, ein Lächeln, und schon schmelzen sie.«
    »Du bist geschickt, das weiß ich. Aber laß diesen Jungen in Ruhe. Hast du gehört, Vera?«
    »Ja, Mutter«, antwortete Vera, so verächtlich sie konnte. »Natürlich! Jeder Tote hat das hören können! Außerdem will ich wirklich keinen elfjährigen Jungen. Ich hasse das Leben hier draußen, wo es bloß die blöden Jungs aus dem Dorf gibt.«
    Papa kam herein. Er trug einen neuen, maßgeschneiderten Anzug. Er setzte sich, befestigte eine Serviette unter seinem Kinn, um die reinseidene Krawatte nicht zu beschmutzen. Wenn Sauberkeit ein Zeichen der Götter war, dann war Papa ein wandelnder Gott.
    »Ist es wirklich schon Juni, Papa?« fragte ich.
    »Warum willst du das wissen?«
    »Es kommt mir so vor, als wäre gestern erst Märzgewesen der Mann, der Mammis neues Kleid gebracht hat, hat gesagt, es wäre März.«
    »Das liegt doch schon Monate zurück, Liebling. Natürlich ist Juni. Sieh dir doch nur die Blumen an, wie sie blühen, und das grüne Gras. Und wie heiß es ist. Solche Tage hat man im März nicht.«
    Vera aß die Hälfte ihrer Pfannkuchen. Dann sprang sie auf und lief in die Halle, um ihre Schulbücher zu holen. Sie hatte den Abschluß der Klasse nicht geschafft, und deshalb mußte sie jetzt in den Ferien acht Wochen lang die Sommerschule besuchen.
    »Warum kommst du mir nach?« fuhr sie mich an.
    Ich war dennoch fest entschlossen, Vera dazu zu bewegen, mich zu mögen. »Warum haßt du mich, Vera?«
    »Ich hab’keine Zeit, alle Gründe aufzuzählen.«
    Ihre Stimme war hochmütig. »In der Schule glauben alle, du seiest merkwürdig; sie wissen, daß du verrückt bist.«
    Das überraschte mich. »Woher wissen sie das, wenn sie mich doch gar nicht kennen?«
    Lächelnd drehte sie sich um. »Ich erzähle ihnen immer, was du Komisches machst: daß du dich immer im Schatten an der Wand hältst und daß du jede Nacht schreist. Sie wissen, daß du etwas so ›Besonderes‹ bist, daß du nicht einmal weißt, welches Jahr, welchen Monat oder welchen Tag der Woche wir haben.«
    Wie gemein, die Familiengeheimnisse so auszuplaudern. Erneut verletzt, ließ mein Wunsch nach, sie zu bewegen, mich zu mögen. Ich glaubte sowieso nicht, daß sie es jemals tun würde. »Ich wünschte, du würdest nicht mit Leuten über mich reden, die das vielleicht nicht verstehen.«
    »Was verstehen–daß du eine Irre ohne Gedächtnis bist? Wirklich, sie verstehen vollkommen; und niemand, absolut niemand, würde jemals mit dir befreundet sein wollen.«
    Ein harter, schwerer Klumpen bildete sich in meiner Brust. Es tat weh. Ich seufzte und wandte mich ab. »Ich wollte bloß wissen, was alle anderen wissen.«
    »Das, meine liebe kleine Schwester, ist vollkommen unmöglich für jemanden ohne Hirn.«
    Ich wirbelte herum und brüllte: »Ich bin nicht deine Schwester! Lieber wäre ich tot, als deine Schwester zu sein!«
    Noch lange nachdem sie die staubige Straße hinab verschwunden war, stand ich auf der Veranda und dachte, daß ich vielleicht verrückt war.
    Um drei Uhr kam wieder Tante Mercy Marie, um auf unserem Klavier zu hocken. Wie immer wechselten sich meine Tante und meine Mutter ab, um für sie zu sprechen. Der Bourbon wurde in den dampfenden, heißen Tee geschenkt, und ich erhielt meine Tasse mit Cola und zwei Eiswürfeln. Mammi bat mich, so zu tun, als sei es heißer Tee. In meinem allerbesten, weißen Kleid saß ich im Sessel und fühlte mich ungemütlich. Weil Papa nicht da war, vergaßen mich die beiden Frauen schon bald und ließen all den Kummer heraus, der sich im Laufe der Woche angesammelt hatte.
    »Elsbeth«, kreischte Mammi, nachdem das Haus beleidigt worden war, das sie so liebte, »das Schlimme mit dir ist, daß du so verdammt eifersüchtig darauf bist, daß unser Vater mich mehr geliebt hat als dich. Da sitzt du und sagst gemeine Sachen über dieses Haus, bloß weil du dir wünschst, es würde dir gehören. Genauso, wie du dir jede Nacht das Herz aus dem Leibe weinst, weil du allem indeinem Bett schläfst, oder dich unruhig hin und her wälzt, weil du eifersüchtig bist und das haben willst, was

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