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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Aber er wollte mich nicht hinsehen lassen, als ich es versuchte. »Was willst du, Audrina?« fragte er ungeduldig.
    »Ich möchte über Vera reden, Papa.«
    »Aber ich möchte nicht über Vera reden, Audrina.«
    Ich wich zurück. »Selbst wenn sie nicht deine Tochter ist, solltest du nicht so gemein zu ihr sein.«
    »Was hat sie dir erzählt?« erkundigte er sich mißtrauisch. »Hat sie versucht dir zu erklären, warum du diesen Traum hast?«
    Ich riß die Augen auf. Ich hatte Vera niemals von meinem schlimmsten Alptraum erzählt. Papa war der einzige, der von meinen bösen Träumen wußte. Ich war sicher, daß er auch nicht wollte, daß Mammi sich deshalb Sorgen machte. Und dieser Traum war mein Fluch, meineSchande; niemals würde ich Vera davon erzählen. Ich bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen, während ich immer weiter zurückwich.
    »Warum hast du Angst vor deinem eigenen Vater? Hat dieses Mädchen dir schlimme Geschichten erzählt?«
    »Nein, Papa.«
    »Lüg mich nicht an, Mädel. Ich sehe sofort, wenn du lügst. Deine Augen verraten dich.«
    Seine gemeine, rücksichtslose Art zwang mich, kehrtzumachen und fortzulaufen. Ich stieß gegen Garderobenständer und Schirmständer, bis ich schließlich in eine Ecke sank, um erst einmal wieder zu Atem zu kommen. Da hörte ich meine Tante und meinen Vater zusammen den Flur entlangkommen. »Es ist mir egal, was du sagst, Ellie. Ich tue mein Bestes, um sie zu heilen. Ich tue auch für Vera mein Bestes, und das ist nicht einfach. Großer Gott, warum konntest du nicht ein Kind wie meine Audrina bekommen?«
    »Genau das braucht dieses Haus«, antwortete meine Tante kalt, »noch eine Audrina.«
    »Jetzt hör mir mal zu, Ellie. Hör mir gut zu. Halt Vera von meiner Tochter fern! Erinnere Vera jeden Tag aufs neue daran, daß sie den Mund halten soll. Sonst ziehe ich ihr die Haut vom Leib und reiße ihr die Haare vom Kopf. Sollte ich jemals herausfinden, daß Vera auch nur irgend etwas damit zu tun hatte–«
    »Natürlich nicht!«
    Ihre Stimmen erstarben. Ich blieb allein im Schatten zurück. Mir war übel, als ich versuchte zu begreifen, was das alles zu bedeuten hatte. Vera kannte das Geheimnis, warum ich mich nicht wie andere Leute erinnern konnte. Ich mußte Vera dazu bringen, es mir zu erzählen. Aber Vera haßte mich. Sie würde mir niemals etwas erzählen.
    Irgendwie mußte ich Vera dazu bringen, mich nicht mehr zu hassen. Vielleicht sogar, mich zu mögen. Dann würde sie mir auch das Geheimnis erzählen, das mich umgab.
    Beim Frühstück am nächsten Morgen lächelte Mammi und war sehr fröhlich. »Ratet, was passiert ist«, sagte sie, als sie sich zu Tisch setzte. »Wir werden Nachbarn bekommen. Dein Vater hat die kleine Hütte vermietet, in der Mr. Willis gewohnt hat, bis er starb.«
    Dieser Name kam mir irgendwie bekannt vor. Hatte ich Mr. Willis gekannt?
    »Heute ziehen sie ein«, fuhr Mammi fort. »Wenn wir nicht Tante Mercy Marie erwarten würden, könnten wir durch den Wald spazieren und sie willkommen heißen. Juni ist ein so schöner Monat.«
    Mit offenem Mund starrte ich sie an. »Aber, Mammi, der Lieferant hat gestern gesagt, es sei März.«
    »Nein, Liebling, es ist Juni. Der letzte Bote war schon vor Monaten hier.«
    Sie seufzte. »Ich wünschte, das Geschäft würde täglich liefern; dann hätte ich etwas, auf das ich mich freuen könnte, abgesehen von Damians Heimkehr.«
    Die ganze Freude, die ich normalerweise bei der Aussicht auf Nachbarn empfunden hätte, war zerstört, weil ich ein so schlechtes Gedächtnis hatte. In diesem Augenblick hinkte Vera in die Küche, warf mir einen bösen Blick zu, ehe sie sich auf einen Stuhl fallen ließ und um Schinken, Eier, Pfannkuchen und Krapfen bat. »Hast du gesagt, wir würden Nachbarn bekommen, Mammi?«
    Mammi? Warum nannte sie meine Mutter so? Ich funkelte sie zornig an, versuchte aber, es Mammi nicht sehen zu lassen. Sie sah müde aus, ziemlich mitgenommen, als sie anfing, die Gänseleberpastete für die Teestunde zuzubereiten. Warum machte sie sich nur soviel Mühe, wenn diese Frau doch tot war und nur Tante Elsbeth alles aufessen würde?
    »Ich weiß, wer die neuen Nachbarn sind«, erklärte Vera grinsend. »Der Junge, der mir zum Valentinstag eine Schachtel mit Pralinen geschenkt hat, hat angedeutet, sie würden vielleicht in unsere Nähe ziehen. Er ist elf, aber er ist so groß, daß er aussieht wie dreizehn oder vierzehn.«
    Mit grimmigem Gesicht stapfte meine Tante herein. »Dann ist er zu jung

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