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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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weich.
    »Da liegt sie, meine erste Audrina. Diese wundervolle, besondere Audrina, die zu mir aufgeschaut hat, als sei ich Gott. Sie hat mir vertraut, hat an mich geglaubt. In meinem ganzen Leben habe ich niemanden gekannt, der mich so uneingeschränkt liebte, ohne Fragen zu stellen. Aber Gott hat sie mir genommen und durch dich ersetzt. Das muß eine Bedeutung haben. Es liegt nun an dir, ihrem Tod einen Sinn zu geben. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, daß ihr Tod vergebens gewesen sein soll, Audrina. Du mußt alle Eigenschaften deiner toten Schwester annehmen. Ich bin sicher, daß Gott sonst böse sein wird, genauso böse wie ich. Du liebst mich nicht genug, um zu glauben, daß ich nur das Beste tue, um dich vor dem zu bewahren, was ihr zugestoßen ist. Aber du hast im Schaukelstuhl gewiß einiges über die Jungs im Wald erfahren, an dem Tag, an dem sie starb.«
    Ich starrte in sein hübsches Gesicht hinauf, über das jetzt Tränen liefen. Dann schlang ich meine Arme um seinen Hals, vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. »Ich werde alles tun, was du willst, Papa, solange du mich nur Arden und Billie besuchen läßt. Ich werde im Schaukelstuhl sitzen und wirklich versuchen, ihre Eigenschaften zu übernehmen. Ich schwöre dir, ich werde mitarbeiten wie niemals zuvor.«
    Seine kräftigen Arme umfingen mich. Ich spürte seine Lippen auf meinem Haar, und später säuberte er mit seinem Taschentuch mein schmutziges Gesicht, ehe er mich küßte. »Abgemacht. Du darfst diesen Jungen und seine Mutter einmal pro Woche besuchen, solange du Vera mitnimmst und dich von diesem Jungen durch den Wald begleiten läßt. Aber geh niemals nach Einbruch der Dunkelheit oder an einem regnerischen Tag.«
    Ich wagte nicht, mehr zu verlangen.

Konkurrenz
    Der Friedhof und der Schaukelstuhl hatten mich ihre Lektion gelehrt. Von nun an würde ich das Mädchen sein, das Papa haben mußte, um reich zu werden und ein glückliches Leben zu führen. Ich wußte, daß er seinen Weg für den besten hielt, und ich selbst konnte nicht entscheiden, ob etwas in einer Situation richtig oder falsch war. Außerdem wollte ich, daß Papa mich mehr liebte als diese abscheuliche erste Audrina. Ich wünschte, sie wäre nie geboren worden, genauso, wie Vera sich wünschte, daß ich niemals geboren worden wäre, dessen war ich mir sicher.
    »Du wirst niemals so wunderbar werden wie deine tote Schwester«, erklärte Vera so entschieden, daß es tatsächlich so schien, als hätte sie sie gekannt. Sie versuchte, Papas Hemd zu bügeln, um ihm zu zeigen, daß sie es konnte, aber sie ruinierte es nur. Das Eisen klebte und hinterließ Brandflecken in Form des Bügeleisens. »Die erste Audrina konnte Hemden bügeln wie eine Göttin«, sagte sie und beugte sich über ihre Arbeit. »Und sie gab sich immer solche Mühe mit ihrem Haar. Dein Haar ist immer völlig zerzaust.«
    Auch Veras Haar sah nicht gerade prächtig aus, so, wie es ihr in dünnen Strähnen ins Gesicht hing. Die Sonne fiel vom Fenster aus durch ihr aprikosenfarbenes Haar, verwandelte die Spitzen in Gold, den Haaransatz färbte sie rot. Sonnenhaar. Feuerhaar.
    »Ich begreife wirklich nicht, warum sie jemand so Dummes wie dich nach einem so klugen Mädchen benannt haben. Du machst doch überhaupt nichts richtig«, fuhr sie fort. »Eltern können wirklich Narren sein. Bloß weil du soaussiehst wie sie, haben sie gedacht, du hättest auch ihren Verstand und ihre Persönlichkeit. Dabei bist du nicht annähernd so hübsch. Und außerdem bist du launisch.«
    Sie drehte sich um, um die Hitze am Bügeleisen kleiner zu stellen, aber es war schon zu spät. Entsetzen zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie die Brandflecken untersuchte und überlegte, was sie tun könnte. »Mammi«, rief sie, »wenn ich Papas Hemd verbrenne, was soll ich dann tun?«
    »In den Wald fliehen«, rief ihre Mutter zurück, die vor ihrem Fernseher hockte, in dem ein alter Spielfilm lief.
    »Dummkopf«, wandte sich Vera nun an mich, »frag deine Mutter, was man machen kann, um die Flecken aus dem Hemd deines Vaters zu entfernen.«
    »Ich bin zu dumm–ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich und rührte weiter in meinem Haferflockenbrei. Ich war sicher, daß Papa mich heute abend wieder in den Schaukelstuhl setzen würde, wie er es zwei-, dreimal pro Woche tat.
    »Arme, zweitbeste Audrina«, meinte Vera. »Zu blöd, um auch nur zur Schule zu gehen. Keiner hier will, daß man draußen in der Welt erfährt, wie dumm du bist.«
    Aus dem

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