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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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würde.
    Augenblicke später kehrte Papa heim. Er schleppte Einkäufe und Blumen, und Vera taumelte hinter ihm her. Sie sah schmutzig aus; ihr Haar war zerzaust, und sie hatte geweint. »Mammi«, schluchzte sie, lief zu meiner Mutter und rief neuen Haß in mir hervor, weil sie versuchte, mir nicht nur den Vater, sondern auch die Mutter zu nehmen. »Papa hat mich am Haar in seinen Wagen gezerrt–schau nur, was er angerichtet hat. Und ich habe es erst gestern abend gewaschen und aufgedreht.«
    »Tröste sie ja nicht, Lucky!« brauste Papa auf, als er sah, wie Mutter schützend die Arme um Vera legte. Er packte Vera und stieß sie so wild auf einen Küchenstuhl, daß sie zu heulen anfing. »Die Göre stolperte die Schnellstraße entlang, als ich sie gesehen habe. Als ich anhielt und ihr befahl, einzusteigen, erzählte sie mir, daß sie eine Hure werden und Schande über uns alle bringen würde. Elsbeth, wenn du nicht weißt, wie du deine Tochter zu behandeln hast, dann werde ich meine eigenen Methoden einsetzen.«
    Ich hatte gar nicht bemerkt, daß meine Tante in dieKüche gekommen war. Sie trug eines ihrer einfachen Baumwollkleider, die im Vergleich mit den hübschen Kleidern meiner Mutter billig und gewöhnlich wirkten.
    »Vera, geh nach oben. Und da bleibst du, bis ich dir sage, daß du wieder nach unten kommen kannst«, fuhr Papa sie an. »Und du bekommst nichts zu essen, ehe du dich nicht bei uns allen entschuldigt hast. Du solltest dankbar sein, daß du überhaupt einen Platz in diesem Haus gefunden hast.«
    »Ich gehe, aber ich werde nie dankbar sein!«
    Vera stand auf und trottete aus der Küche. »Und ich werde runterkommen, wenn ich soweit bin.«
    Papa stürzte vorwärts.
    »Mammi, laß nicht zu, daß er sie schlägt!« schrie ich. »Wenn er das tut, stellt sie nur wieder irgend etwas an, um sich zu verletzen.«
    Vera rief ihre Unfälle immer selbst hervor, kurz nachdem sie Papa so sehr erzürnt hatte, daß er sie bestrafen mußte.
    Meine Mutter seufzte. Sie sah noch müder aus. »Ja, du hast wahrscheinlich recht. Damián, laß sie gehen. Sie ist schon genug gestraft.«
    Warum verteidigte meine Tante ihre Tochter nicht? Manchmal schien sie Vera gegenüber ebenso abgeneigt wie Papa. Doch schon bekam ich wieder ein schlechtes Gewissen. Auch ich haßte Vera oft aus tiefstem Herzen. Ich mochte sie eigentlich nur dann, wenn ich Mitleid mit ihr hatte.
    Oben an der Treppe schrie Vera aus voller Brust. »Niemand liebt mich! Ich bin euch allen ganz egal! Wage es ja nicht, mich noch einmal zu schlagen, Damián Adare! Wenn du das tust, werde ich alles erzählen! Du weißt,wem ich es erzählen werde, und es wird dir leid tun, jawohl!«
    Blitzschnell war Papa aus seinem Stuhl aufgesprungen und raste die Treppe hinauf. Die dumme Vera kreischte noch immer, bis er die Tür zu ihrem Zimmer aufriß. Dann gab es einen Aufprall. Als nächstes hörte ich sie so laut und lange schreien wie noch nie und sie hatte ihr Leben lang immer wieder laut und lange geschrien. Mein Blut gerann. Noch ein Aufprall–dann völlige Stille. Wir drei in der Küche starrten zur Decke hinauf, die der Boden von Veras Zimmer war. Was hatte Papa Vera angetan?
    Ein paar Minuten später kehrte Papa in die Küche zurück.
    »Was hast du Vera getan?« fragte Mammi scharf. Ihre Augen waren starr, als sie ihn anfunkelte. »Sie ist doch noch ein Kind, Damián. Du solltest nicht so grob zu einem Kind sein.«
    »Ich habe überhaupt nichts getan, verdammt!« brüllte er. »Ich habe die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet. Sie ist zurückgewichen und über einen Stuhl gestolpert. Sie ist gefallen und hat zu schreien angefangen. Sie stand auf und lief zu dem Schrank, wo sie auf der Innenseite das Schloß angebracht hat. Dort wollte sie sich verstecken. Aber sie ist doch tatsächlich noch mal gestolpert und gefallen. Ich hab’sie weinend am Boden liegengelassen. Du solltest wohl besser hinaufgehen, Ellie. Sie hat sich vielleicht wieder einen Knochen gebrochen.«
    Ungläubig starrte ich Papa an. Wenn ich gefallen wäre, hätte er mir sofort geholfen. Er würde mich geküßt, umarmt und mir Hunderte von lieben Dingen ins Ohr geflüstert haben. Aber bei Vera tat er nichts, er ging einfach fort. Dabei war er erst gestern so nett zu ihr gewesen. Ich sah meine Tante an, hielt fast den Atem anund fragte mich, wie sie sich rächen würde dafür, daß Papa so herzlos war.
    »Nach dem Frühstück gehe ich hinauf«, antwortete meine Tante und setzte sich wieder. »Noch ein

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