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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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einzigen Traum, den der Stuhl mir immer wieder bescherte? Würde sie schreien? Würde Papa hinlaufen, um sie zu retten?
    Oder wenn nun alles stimmte, was Papa mir erzählte, und wenn es wirklich eine besondere Gabe zu gewinnen gab. Dann könnte sie mich jeden Augenblick aus seinem Herzen verdrängen. Atemlos plapperte ich los, nicht länger unentschlossen. »Ich sah mich, Papa, als erwachsene Frau. Ich habe in einem riesigen Haus gearbeitet, überall um mich her standen Maschinen. Sie glühten, wechselten die Farben, sprachen mit merkwürdigen Stimmen und sandten Botschaften durch die Luft. Ich stand ganz vorn und unterrichtete eine große Klasse, wie man die Maschinen einzusetzen hatte. Deshalb dachte ich–aber ich hätte dich natürlich entscheiden lassen sollen, was es bedeutet. Die Buchstaben, die ich dir nannte, standen auf all diesen Maschinen, auf jeder einzelnen, Papa.«
    IBM.
    Sein Lächeln zur Belohnung war dünn und verkniffen, aber er umarmte mich. »Schön, du hast versucht, mir finanziell zu helfen, aber das ist nicht das, was ich wollte. Erinnerungen, Audrina, füll die Löcher in deinem Gehirn mit den richtigen Erinnerungen. Wir werden es später noch einmal mit dem Schaukelstuhl versuchen. Vielleicht läßt er dich diesmal den Wald überspringen und setzt dich an der richtigen Stelle ab.«
    Ich wollte weinen, war nahe daran, denn ich hatte diesen komischen Traum mit den Maschinen wirklich gehabt, und die Nadel hatte viermal auf diese Initialen gezeigt. »Wein doch nicht, mein Liebling«, tröstete er mich und küßte mich wieder. »Ich verstehe dich ja, und vielleicht setze ich sogar ein bißchen Geld auf diese Aktie, obwohl sie bald wieder abfallen muß. Trotzdem, es wäre vielleicht nicht schlecht zu warten, bis sie abfällt, und dann in großen Mengen zu kaufen, ehe sie wieder klettert. Du bist intuitiv, und dein Herz ist rein, selbst–«
    Ich sprang auf die Füße und lief davon, um seinen Überlegungen zu entgehen. Jetzt würde er Geld auf diese Aktie setzen. Was aber, wenn sie weiter fallen würde?
    Die arme Mammi schuftete in der Küche, bereitete eine Party vor, die sie nicht brauchte, wo sie sich doch so schlecht fühlte. Ich lief ans Fenster, von wo aus ich Papa beobachten konnte. Er war aufgestanden und war jetzt am Fluß, schleuderte Kieselsteine über das Wasser, als gäbe es keine Sorgen auf der Welt.
    Mammi sagte kein Wort davon, daß morgen mein neunter Geburtstag wäre. Kam das, weil morgen gar nicht mein Geburtstag war? Ich ging zu dem Schrank unter der Treppe und sah in den Zeitungen nach. Morgen war der neunte September. Typisch für mich: Ich vergaß, daß heute der Achte war. Aber war es wirklich so wichtig, neun Jahre alt zu werden? Ja, entschied ich, als sich derTag dahinzog und niemand außer Papa meinen Geburtstag erwähnte. Es war gefährlich, die neun zu erreichen.
    Die Party begann um halb zehn, kurz nachdem ich zu Bett gegangen war. Der Lärm, den zwanzig von Papas besten Freunden machten, drang bis hinauf zu mir, obwohl mein Zimmer weit vom Partyzimmer entfernt lag. Ich wußte, da unten waren Bankiers, Anwälte, Ärzte und andere einflußreiche Personen, die immer noch reicher werden wollten. Sie liebten unsere Parties; die Speisen waren ausgezeichnet, Alkohol floß in Mengen, und das Beste von allem war, wenn Mammi sich ans Klavier setzte, um etwas zu spielen. Dann erst erwachte die Party zu vollem Leben. Da Mammi Musikerin war, zog sie andere Musiker an, die gern mit ihr zusammen spielten. So kam es, daß Ärzte und Anwälte ihre Söhne und Töchter mitbrachten, die irgendein Instrument spielen konnten, und gemeinsam, mit Mammi als Hauptperson, gab es eine ›Jam Session‹.
    Barfuß und im Nachthemd lief ich hinunter, um meine Mutter am Klavier sitzen zu sehen. Sie trug ein rotes Seidenkleid, das so tief ausgeschnitten war, daß es mehr zeigte, als Papa gutheißen würde. Alle Männer versammelten sich ums Klavier, beugten sich über Mammis Schultern, starrten in ihren Ausschnitt, während sie sie ermunterten, weiterzuspielen, schneller zu spielen. Ihre Finger flogen über die Tasten; sie wippte im Takt, als sie immer schneller und wilder spielte. Sie lächelte und lachte zur Antwort auf Dinge, die ihr ins Ohr geflüstert wurden, spielte mit einer Hand und hielt mit der anderen das Glas Champagner, an dem sie nippte. Dann stellte sie das leere Glas ab, machte einem etwa zwanzigjährigen Jungen ein Zeichen, Akkordeon zu spielen, und gemeinsam spielten sie eine wilde

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