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Inc.» zu Hause war. Das Lokal war schmucklos und zurückhaltend eingerichtet: weißer Linoleumboden, eine Vitrine gleich neben der Tür, in der die tägliche Auswahl von Kebabs und Vorspeisen ausgestellt war, und an den Wänden Poster von Izmir, Konja und anderen türkischen Ferienorten. Auch das Lokal selbst hätte gut und gern in Izmir sein können, so authentisch türkisch sah es aus. Als Taylor eintrat, saß Munzer bereits an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes, rauchte eine Wasserpfeife und winkte Taylor heran.
«Setzen Sie sich doch, mein Freund, und blubbern Sie ein wenig mit», sagte er.
«Gerne.» In Situationen wie dieser ging Taylor immer auf die Vorschläge seiner Zielperson ein, selbst wenn es bedeutete, dass man in Mogadischu Lammhoden essen, in Aden Quat kauenoder in Erzurum eine Flasche Arrak trinken musste. Anders ging es nicht. Taylor nahm das Mundstück der Pfeife und zog daran. Das Knistern im Brennkopf und das süßliche Aroma des Rauchs ließen vermuten, dass jemand ein Bröckchen Haschisch in den Tabak getan hatte. Taylor nahm einen weiteren langen Zug, dann legte er das Mundstück beiseite.
«Sehr gut», sagte er. «Woher kommt das Zeug? Aus Afghanistan?»
Munzer lächelte und schwieg. «Und was wollen Sie essen?», fragte er nach einer kurzen Pause.
«Empfehlen Sie mir etwas. Sie kennen sich hier aus.»
Munzer rief den Kellner und rasselte eine Reihe von Bestellungen herunter. Während er das tat, überlegte sich Taylor, wie er ihn am besten knacken konnte. Natürlich war er nicht hergekommen, um bloß Kebab zu essen, aber trotzdem war es wohl besser, mit seinem Anliegen bis nach dem Essen zu warten. Alles andere wäre extrem unhöflich gewesen.
Schon vor Jahren hatte Taylor gelernt, dass man sich beim Anwerben neuer Agenten viel Zeit lassen musste. Am wichtigsten war dabei, dass die Zielperson eine für sie deutlich spürbare Schwelle überschritt – ganz gleich, um welche es sich im konkreten Fall handelte. Wenn es dem Offizier einer fremden Armee verboten war, Besuch von einem Amerikaner zu bekommen, lud man sich bei ihm zu Hause ein; einer Person, die kein Geld von Ausländern annehmen durfte, drängte man ein sündteures Geschenk auf; und einen zentralasiatischen Emigranten, der über ein bestimmtes Thema nicht reden wollte, musste man genau darüber zum Sprechen bringen. Das Überschreiten der Schwelle war psychologisch enorm wichtig. War sie erst einmal überwunden, war alles andere meistens nur noch eine Frage der Zeit und der Hartnäckigkeit.
«Sie sind doch aus Usbekistan, nicht wahr?», fragte Taylor nach einer Weile.
«Richtig», erwiderte Munzer, der gerade einen Zug aus der Pfeife genommen hatte. «Aus Taschkent.»
«Aber von dort sind Sie schon vor langer Zeit weggegangen.»
«Richtig. Vor sehr langer Zeit.»
«Wann denn genau?»
«Ach, während des Krieges. 1939.»
«Waren Sie seither jemals wieder dort?»
«Wo?»
«In Usbekistan.»
«Das ist nicht möglich. Zu gefährlich.»
Taylor nahm das Mundstück der Wasserpfeife und zog ein paar Mal. Sein Gegenüber sollte nicht glauben, dass er es eilig hatte.
«Wieso gefährlich?», fragte er dann.
«Ich habe vor vielen Jahren etwas getan, was den Russen nicht gefallen hat. Etwas, das mit Freiheit für mein Volk zu tun hat. Wenn ich zurück gehe, dann
zzzzt
!» Er fuhr sich mit dem Zeigefinger quer über die Kehle.
«Was haben Sie denn getan, dass die Russen so sauer auf Sie sind?»
Munzer antwortete nicht und rauchte weiter, als hätte er Taylors Frage überhaupt nicht gehört. Mit dem Mundstück zwischen den Lippen sah sein rundes Gesicht wie eine angestochene Grapefruit aus.
Taylor musste es auf andere Weise versuchen. «Glauben Sie eigentlich, dass die Russen auf immer und ewig in Taschkent regieren werden, Mr. Achmedow?»
Munzer sah ihn neugierig an. «Vielleicht ja. Vielleicht nein. Woher soll ich das wissen?»
«Aber Sie haben doch bestimmt eine Meinung dazu.»
Munzer schüttelte den Kopf. «Wieso stellen Sie mir eigentlich all diese Fragen über Usbekistan?»
«Weil ich mich dafür interessiere.»
«Ach was.» Munzer machte eine abfällige Handbewegung.
«Aber ich interessiere mich wirklich für Usbekistan. Das ist eines meiner Hobbys. Ich würde gerne mehr über den Kampf Ihres Volkes gegen die Russen erfahren.»
«Lassen Sie uns bitte über etwas anderes reden, mein Freund. Das ist eine sehr, sehr traurige Geschichte. Zu traurig für Munzer Achmedow.» Der Usbeke legte eine Hand auf
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