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sein Herz, als täte es ihm weh, wenn er über sein Land sprach.
Taylor sagte nichts. Wenn Munzer Achmedow wirklich das Thema wechseln wollte, so sollte er das selbst tun. Aber der Usbeke griff wieder zur Pfeife, und ein paar Minuten lang sagten weder er noch Taylor ein Wort. Auch als ein Kellner das Essen brachte, sprachen sie nicht. Schließlich war es Munzer, der das Schweigen brach.
«Sie sind kein Teppichhändler», sagte er, nachdem er Kleidung, Gesicht und Hände des Amerikaners gründlich gemustert hatte.
«Stimmt.»
«Und Sie sind auch kein Freund von Scheich Hassan.»
«Nein, das bin ich nicht.»
«Dann sind Sie von der CIA.»
«Ich arbeite für die Regierung», sagte Taylor.
Munzer schüttelte den Kopf und atmete tief durch, als ob er einen Schlag in die Magengrube erhalten hätte.
«Ihr Leute von der Regierung tut mir nicht gut», sagte er. «Gehen Sie zurück nach Washington, mein Freund, und lassen Sie Munzer Achmedow in Ruhe.»
«Aber ich möchte mit Ihnen reden. Es ist wichtig.»
«Sicher. Das haben sie vor dreißig Jahren auch gesagt, und was hat es uns genützt? Gar nichts. Jetzt weiß ich es besser.»
«Ich habe einen weiten Weg auf mich genommen, um mit Ihnen zu sprechen, Mr. Achmedow. Und wie gesagt, es ist sehr wichtig. Das müssen Sie mir glauben. Wenn Sie mich jetzt fortschicken, machen Sie einen schrecklichen Fehler und schaden damit nicht nur sich selbst, sondern auch Ihrem Volk.»
«Klar doch. Meinem Volk. Das habe ich alles schon mal gehört. Wieso kommen Sie jetzt, nach so vielen Jahren, wieder zu mir?»
«Weil ich Ihre Hilfe brauche?»
«Wozu, bitte?»
«Damit ich etwas für Ihr Volk tun kann.»
«Unsinn.»
«Ich meine es ernst. Es ist nicht mehr so wie früher. In Washington hat sich einiges geändert.»
«Was denn? Tun Sie denn jetzt etwas für Usbekistan?»
«Das kann ich Ihnen hier nicht sagen. Könnten wir nicht irgendwo unter vier Augen miteinander reden?»
«Nach dem Essen vielleicht», sagte Achmedow. «Darüber muss ich erst nachdenken.»
Schweigend aßen sie ihr Kebab. Munzer kaute jeden Bissen ausgiebig und sah aus, als denke er dabei intensiv über die traurige Geschichte seines Heimatlandes nach. Hin und wieder blickte er mit ausdruckslosem Gesicht aus dem Fenster, aber sein Blick ging weit über den Parkplatz des Gebrauchtwagenhändlers hinaus in die Ferne. Erst als er seinen Teller vollständig leer gegessen hatte, wandte er sich wieder Taylor zu.
«Kommen Sie bitte zu mir nach Hause», sagte er leise. «Dort können wir reden.»
«Wann?»
«Heute Abend. Um sechs Uhr.»
«Wo wohnen Sie?»
«In Brooklyn. Achtundsechzigste Straße, Nummer zweitausendeinhundertachtunddreißig. Das ist zwischen der Einundzwanzigsten Avenue und dem Bay Parkway.» Er nahm einen Stift aus der Tasche und schrieb seine Adresse in sauber geschwungener Schreibschrift, die er vor Jahrzehnten auf einer russischen Schule in Taschkent gelernt hatte, auf eine Papierserviette.
«Vielen Dank», sagte Taylor und gab dem Usbeken die Hand. «Es freut mich sehr, dass Sie mit mir reden wollen.»
«Ja, ich werde mit Ihnen reden. Aber mehr tue ich nicht. Wenn ich Ihnen die Geschichte meines Volkes erzählt habe, werden Sie alles verstehen. Auch, warum ich nie wieder etwas mit der CIA zu tun haben will.» Er nickte, lächelte höflich und wartete, bis Taylor das Lokal verlassen hatte, bevor er die Wasserpfeife wieder anzündete.
25 Munzer Achmedow wohnte in einem hübschen Reihenhaus am Rand von Bensonhurst. Die Wetterseite sah aus, als wäre sie erst kürzlich mit Aluminium verkleidet worden, und in der Auffahrt stand ein 1975er Cadillac. Mit dem frisch gemähten Garten und den strahlend weißen Gardinen an den Fenstern sah es so gepflegt aus wie die meisten anderen Häuser in dieser hauptsächlich von in die Mittelschicht aufgestiegenen Einwanderern bewohnten Gegend.
Trotz seiner Enttäuschung über die U S-Regierung schien es Munzer Achmedow in den Vereinigten Staaten nicht allzu schlecht ergangen zu sein. Er hatte ein schönes Haus und einenfast neuen Cadillac, mit dem er jeden Morgen zu seinem kleinen Laden in Queens fuhr. Auch viele seiner Nachbarn, die ebenfalls Emigranten aus Osteuropa und Zentralasien waren, besaßen kleine Unternehmen, denen sie sehr englisch klingende Namen wie «Delta Fashion Inc» oder «Clover Jewelry Corp» gegeben hatten. Munzer selbst hatte sein Geschäft «Utopia Trading Company» getauft.
Gegründet hatte er es Anfang der Sechzigerjahre,
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