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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Rote Armee kämpfen konnten. Aber dann haben die Briten uns verraten. Dafür, dass die Sowjets die Revolution nicht nach Indien tragen, haben sie ihnen versprochen, die Kämpfer Turkestans nicht mehr zu unterstützen. Das war gut für alle, bis auf uns. Das war die dritte Tragödie.»
    «Der Verrat der Briten.»
    «Ja. Und diesen Dolchstoß in unseren Rücken haben wir ihnen nie vergessen. Aber dann hat endlich, endlich jemand Mustafa Chokay Hilfe angeboten für seinem Kampf gegen den Mord an den Turkvölkern. Dass er auf dieses Angebot eingegangen ist, wurde zur vierten Tragödie für uns.»
    «Wer hat ihm denn geholfen?»
    «Die Deutschen. Als die Nazis 1940 in Paris einmarschiert sind, haben sie Chokay verhaftet und nach Berlin gebracht. Damals haben sie uns Turkvölker ‹asiatische Juden› genannt, weil wir als Muslime beschnitten sind, aber Mustafa Chokay hat sie davon überzeugt, dass wir ihnen bei ihrem geplanten Angriff auf dieSowjetunion ziemlich nützlich sein konnten. Und als sie dann in Russland einmarschiert sind, haben sie im Kaukasus und Zentralasien überall Nationalkomitees und Legionen gegründet. Es gab eine Georgische Legion, eine Armenische Legion, eine Aserbaidschanische Legion, eine Daghestanische Legion, eine Tatarisch-Baskirische Legion und eine Kalmückische Legion.
    Und dann gab es auch noch eine Turkestanische Legion, und Mustafa Chokay wurde Vorsitzender des Nationalkomitees für Turkestan. Wenn sie die Russen besiegt hätten, so sagten die Deutschen, würden alle Turkvölker die Freiheit erlangen!
    Dann aber ist Mustafa Chokay 1941 in Berlin gestorben, und ein Freund von ihm wurde neuer Vorsitzender des Nationalkomitees. Zum Glück hat Mustafa Chokay nie mitbekommen, was für eine Katastrophe der Krieg für uns wurde. Wir hatten auf das falsche Pferd gesetzt. Nach der Niederlage der Deutschen hat Stalin uns Verräter genannt und Millionen von Muslimen umgebracht. Die Krimtataren, die Tschetschenen und Inguren ließ er deportieren. Und die Kalmücken ebenso. Viele von ihnen sind auf den Transporten gestorben.»
    «Wo waren Sie eigentlich, als das alles geschah?»
    «Ich habe für die Freiheit der Turkvölker gekämpft.»
    «Mit den Deutschen?»
    «Ja», antwortete Munzer leise. «In der Turkestanischen Legion. Aber darüber rede ich nicht gerne mit Amerikanern, weil sie das nicht verstehen. Verstehen Sie es denn?»
    «Ja. Natürlich verstehe ich das.»
    «Gut! Nach dem Krieg lagen unsere Völker am Boden. Unser großer Führer Mustafa Chokay war tot. Wir hatten nichts. Ich lebte damals in einem Lager für ‹Displaced Persons› in Deutschland, im britischen Sektor, und 1947 kam eines Tages ein Engländer zu mir. Er war sehr höflich. ‹Schön, Sie kennenzulernen, Mr.Munzer›, sagte er. ‹Freut mich wirklich sehr›. Und er versprach mir, dass die Briten Turkestan zu Freiheit und Unabhängigkeit verhelfen würden. Ich müsste nur nach England kommen und für ihn arbeiten.»
    «Was haben Sie geantwortet?»
    «Nein, natürlich. Die Briten haben uns schon einmal verraten. Sie wollten uns erst Waffen schicken und haben dann gemeinsame Sache mit Stalin gemacht. Also sagte ich: ‹Nein danke, Herr Engländer, aber wir haben genug von Ihren faulen Tricks.›
    Und jetzt komme ich zum schlimmsten Teil meiner Geschichte. Dem traurigsten. Weil es darin um Amerika geht. Im Jahr 1950 war ich immer noch in Deutschland und habe nicht gewusst, was ich tun soll, als so ein Amerikaner bei mir aufgetaucht ist. Er war sehr freundlich. Und seriös. Hatte sauber gekämmtes Haar und war ordentlich gekleidet. Ein wenig wie Sie, vielleicht. Und er hat mir erzählt, dass die Amerikaner den Turkvölkern im Kampf um ihre Freiheit helfen wollten. Ich fand das zu schön, um wahr zu sein. Die Amerikaner mit ihrem Thomas Jefferson, der Freiheitsstatue, dem Empire State Building. Diese große Nation wollte meinem kleinen Land helfen? Wie konnte das sein? Aber er sagte: Ja, die Amerikaner würden es wirklich ernst meinen. Sie würden ein Komitee zur Befreiung der UdSSR vom Bolschewismus gründen. ‹Die Amerikaner meinen es sehr ernst›, hat er gesagt.»
    «Aber es hat nicht gestimmt.»
    «Nein, Mister. Zuerst haben sie wirklich viel gemacht. Sie haben einen Radiosender in usbekischer Sprache gegründet. Und einen tarisch-baschkirischen, einen tschetschenisch-ingusischen und einen aserbaidschanischen. Und dann haben sie noch andere Dinge getan. Geheime Dinge.»
    «Was waren das für geheime Dinge?»
    «Sie haben

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