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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Agenten ausgebildet. Agenten, die sie sich aus den D P-Lagern in Deutschland geholt haben. Männer wie mich, die in den zentralasiatischen Legionen oder der Wlassow-Armee gekämpft haben, weil sie ihre Völker vom stalinistischen Joch befreien wollten. Die Amerikaner haben diese Leute ausgebildet. Und ich habe ihnen dabei geholfen.»
    «Und worin bestand diese Hilfe, Mr.   Achmedow?»
    «Das ist geheim.»
    «Das geht schon in Ordnung. Mir können Sie es erzählen.»
    «Ich war Kundschafter in den Lagern. Ich habe dort Männer aus Turkestan gesucht, die das Zeug zu guten Agenten hatten.»
    «Was geschah mit diesen Männern?»
    «Sie wurden in die Sowjetunion geschickt. Die CIA und der Britische Geheimdienst haben sie über die afghanische Grenze nach Usbekistan und Kasachstan eingeschleust, aus Iran nach Aserbaidschan und aus der Türkei nach Georgien. Im Norden haben sie die Waldbrüder in Litauen und die Männer von Stefan Bandera in der Ukraine mit Waffen versorgt. Die Amerikaner hatten kleine Flugzeuge, die so tief flogen, dass das Radar sie nicht sehen konnte. Mit denen haben sie die Agenten mit dem Fallschirm abspringen lassen oder Material abgeworfen. Aber das wissen Sie ja. Und Sie wissen sicher auch, wie es ausgegangen ist.»
    Taylor nickte. «Ja, das weiß ich.»
    «Keiner der Agenten hat überlebt. Sie wurden gleich nach ihrer Landung gefangen genommen oder tagelang gejagt und dann erschossen. Manche haben vor lauter Angst auch aufgegeben und sich dem KGB gestellt. Alle sind sie gestorben. Die CIA hat gesagt, dass es ihr leidtut. Sehr leid. Und sie hat neue Männer geschickt, die auch wieder starben. Aber auch das wissen Sie.»
    «Ja.»
    «Hinterher hat sich herausgestellt, dass die Russen über alles Bescheid wussten. Sie hatten ihre eigenen Spione in den D P-Lagern . Sie hatten ihre Spione in der Organisation von General Gehlen, und sie hatten ihre Spione im Britischen Geheimdienst. Vielleicht hatten sie sogar Spione in der CIA?»
    «Möglich.»
    «Ganz ehrlich, Mr.   … Wie war doch gleich Ihr Name?»
    «Goode.»
    «Ganz ehrlich, Mr.   Goode, das war es nicht, was Munzer Achmedow das Herz gebrochen hat. Dass all die Agenten sterben mussten. Jeder kann Fehler machen, sogar die CIA. Amerikas Verrat an den Turkvölkern war etwas ganz anderes.»
    «Was dann, Mr.   Achmedow?»
    «Dass die CIA so getan hat, als würde sie unseren heroischen Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit unterstützen. Wir haben das geglaubt. Munzer Achmedow hat das geglaubt. Die Freiheitsstatue! Thomas Jefferson! Aber es war alles nur eine große Lüge. In Wirklichkeit wollen die Amerikaner, dass Russland auf immer und ewig die Herrschaft über Zentralasien behält. Sie interessiert nur, dass es Russen sind, die ihnen gefallen, und nicht die Kommunisten.»
    «Das müssen Sie mir erklären.»
    «Muss ich das wirklich? Aber schön, ich werde es Ihnen erklären. Als ich 1952 nach Washington kam, hat die CIA von mir verlangt, dass ich über den Radiosender Voice of America etwas Gutes über Kerenski sage. Ich habe mich natürlich geweigert. Wieso Kerenski?, habe ich gefragt. Der hat doch 1917 sein Versprechen an Mustafa Chokay gebrochen. Wir Turkvölker haben ihm geholfen, an die Macht zu kommen, und dann hat er uns vergessen. Also habe ich der CIA gesagt: Vergesst Kerenski.Lasst mich über die Völker Turkestans sprechen. Über Mustafa Chokay, das Massaker von Kokand im Jahr 1918, über Freiheit und Unabhängigkeit. Aber sie wollten das nicht. Tut uns leid, haben sie gesagt, niemand darf über einen amerikanischen Radiosender die Unabhängigkeit eines Volks in der Sowjetunion verlangen. Bis auf die baltischen Völker. Die dürfen das. Aber nur sie. Die Ukrainer dürfen es auch nicht, aber bei uns Usbeken ist es noch viel schlimmer: Wir dürfen nicht einmal unsere eigene Sprache im amerikanischen Radio sprechen, weil die Amerikaner Angst haben, die Russen könnten sauer werden. Deshalb haben sie eines Tages einfach gesagt: Sorry, wir haben einen Fehler gemacht, und das usbekische Radioprogramm eingestellt. Aus. Schluss. Vorbei.»
    «Das tut mir leid», sagte Taylor.
    «Ihnen tut es leid, Mr.   Goode, aber Munzer Achmedow habt ihr Amerikaner damit das Herz aus dem Leib gerissen. Das Herz! Vielleicht verstehen Sie jetzt, Mr.   Goode, was ich Ihnen in dem türkischen Restaurant gesagt habe. Die ganze Welt hat die Turkvölker betrogen. Fünfmal hintereinander. Munzer Achmedow hat genug. Er kann niemandem mehr vertrauen. Nur noch

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