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wenig Angst vor der Antwort. Und so erzählte sie erst einmal von London. Doch Margaret hielt sich nicht lange mit Smalltalk auf.
«Ich mache mir Sorgen um dich», sagte sie, nachdem der Kellner ihnen eine Flasche billigen italienischen Weißwein gebracht hatte. «Wo bist du da bloß hineingeraten?»
«Darüber kann ich nicht reden», sagte Anna. «Das ist top secret.»
«So, ist es das? Kaum zu glauben, wie schnell die Kinder heutzutage groß werden.»
«Hör mal, Tantchen, das ist wirklich nicht fair. Du hast doch selbst dein Leben lang Geheimnisse gehabt.»
«Ich will mich ja auch gar nicht einmischen. Und trotzdem muss ich sagen, dass mich manches, was ich über dich höre, ausgesprochen beunruhigt.»
«Was hörst du denn über mich?»
«Dass du in Edward Stones Mauscheleien verstrickt bist.»
«Aber wie ist denn das bloß möglich, dass du so etwas gehört hast? Was ich tue, soll eigentlich streng geheim bleiben.»
«Sei nicht albern, Kindchen. Beim Geheimdienst ist nichts geheim. Geheimnisse sind in unserer Branche Gebrauchsgegenstände, die wir herstellen, konsumieren und manchmal auch gegen etwas anderes eintauschen.»
Anna zündete sich eine Zigarette an. «Gut, was weißt du? Oder was glaubst du zu wissen?»
«Dass du für Stone an einem Projekt arbeitest, bei dem es um sowjetische Nationalitäten geht.»
«Kein Kommentar.»
«Und dass dieses Projekt einige Aufregung verursacht.»
Anna horchte auf. «Aufregung?», fragte sie. «Davon weiß ich ja gar nichts.»
«Es gibt da ein geheimdienstunabhängiges Komitee, das CI A-Operationen im Umfeld der Sowjetunion überwacht. Es hat einen ganz harmlosen Namen, ‹Arbeitskreis Sowjetunion› oder so ähnlich.»
«Davon habe ich noch nie gehört.»
«Das hätte Stone dir aber sagen sollen. Andererseits liegt es natürlich auf der Hand, warum er es nicht getan hat.»
«Warum liegt das auf der Hand?»
«Nun, dieses Komitee ist ja gerade dazu da, Leute wie Stone im Zaum zu halten.»
«Spann mich nicht auf die Folter, Margaret. Das ist eine ernste Sache. Du hast von Aufregungen gesprochen. Was genau ist da los?»
«Bislang ist es noch halbwegs überschaubar. Ein Mitarbeiter des Außenministeriums hat das Gerücht gehört, die CIA habe eine verdeckte Operation eingeleitet, bei der es um sowjetische Nationalitäten geht. Das stieß auf Besorgnis, denn das Außenministeriumlehnt solche Unternehmungen natürlich strikt ab.»
«Das weiß ich.»
«Dann wird es dich auch nicht überraschen, dass das Außenministerium über gewisse Kanäle – mit anderen Worten über die Arbeitsgruppe Sowjetunion – bei der CIA nachfragen ließ und die offizielle Antwort erhielt, das Gerücht sei falsch, der Geheimdienst arbeite keineswegs an neuen Projekten mit sowjetischen Republiken.»
«Verstehe», sagte Anna.
«Aber das ist natürlich Humbug, stimmt’s?»
«Bitte, Tantchen, bring mich nicht in Loyalitätskonflikte. Ich würde es dir ja erzählen, wenn ich könnte.»
«Sei einfach vorsichtig, Liebes. Das ist im Grunde alles, was ich dir sagen will. Du musst sehr, sehr vorsichtig sein. Die ganze Sache ist vielleicht gefährlicher, als dir klar ist. Nicht nur für dich und deine Karriere, sondern auch für andere, die möglicherweise irgendwann einmal von dir abhängen.»
«Hör mal», sagte Anna sanft. «Ich glaube, du machst dir viel mehr Sorgen als nötig. Ich kann dir leider nicht erzählen, was genau wir tun, aber ich kann dir versichern, dass Stone keine echte verdeckte Operation dieser Art angestoßen hat.»
«Was meinst du mit ‹keine echte›? Hat er etwa eine falsche verdeckte Operation gestartet?»
«Tut mir leid, ich sagte ja schon, dass ich darüber nicht reden darf.»
«Gut. Dann kann ich nur wiederholen: Sei vorsichtig.»
«Warum regt dich das alles bloß so auf, Margaret?»
«Weil ich es dir ansehe. Dein Blick, dein Teint. Es ist ganz offensichtlich, Liebes: diese Euphorie … Ich kenne das nur zu gut von Leuten, die einen höchst geheimen und höchst exotischenAuftrag haben. Und das freut mich ja auch für dich. Aber ich muss dich trotzdem warnen: Männer wie Stone sind gerade dann besonders anziehend, wenn sie ein wenig aus dem Ruder laufen. Aber dann sind sie auch ganz besonders gefährlich.»
«Jetzt übertreibst du aber wirklich, Tantchen. Wenn man nicht mal jemandem wie Stone vertrauen kann, wem soll man denn dann überhaupt noch trauen?»
«Liebes», erwiderte Margaret kopfschüttelnd, «ich fürchte, du bist ein hoffnungsloser
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