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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Folter. Hin und wieder schalteten sich «aufgeklärtere» westliche Mächte ein, von den Kreuzrittern bis zur Roten Armee. Sie zogen es gemeinhin vor, auf Entfernung zu morden, mit Langbögen, Schusswaffen oder aus Flugzeugen abgeworfenen Bomben – doch auch sie wurden unweigerlich Teil dieser blutigen Endlosschleife.
     
    29  Als Anna Barnes in ihr Motelzimmer in Bethesda zurückkehrte, fand sie an der Rezeption zwei Nachrichten vor, die beide den identischen Wortlaut hatten: «Bitte ruf mich so schnell wie möglich zurück.» Eine stammte von Alan Taylor, die andere von Margaret Houghton. Anna hätte zu gern gewusst, wie Margaret herausgefunden hatte, wo sie sich aufhielt und dass sie überhaupt zu einem temporären Einsatz in Washington war. Doch das Verlangen, Taylor zu sehen, war stärker, und so rief sie als Erstes ihn an. Sie erreichte ihn im Karpetland-Büro in Rockville, und eine halbe Stunde später lag er in ihrem Bett.
    «Ich habe dich viel zu sehr vermisst», bemerkte Anna, nachdem sie sich ausgiebig geliebt hatten. Sie streichelte seine behaarte Brust.
    «Das kann gar nicht sein», sagte Taylor. «Zu sehr kann man doch niemanden vermissen.»
    «Doch, kann man. Zumindest als Frau.»
    «Tja, bei mir war das anders. Ich habe dich gerade genug vermisst.»
    «Gerade genug, um nicht mit einer anderen zu schlafen, während ich weg war?»
    «Du sagst es.»
    Anna ließ den Blick über seinen nackten Körper gleiten. «Wusstest du, dass die Araber siebenunddreißig Bezeichnungen dafür haben?»
    «Wofür?»
    «Für den Penis.»
    «Das ist ja mal wieder typisch. Die Eskimos haben fünfzig Bezeichnungen für Schnee, die Araber siebenunddreißig für den Penis.»
    «Aber es stimmt. Ich weiß es aus einem Buch, das ScheichNefzawi von Tunis im sechzehnten Jahrhundert geschrieben hat.»
    «Großer Gott! Wo findet man denn solche bizarren Bücher?»
    «Im Giftschrank.»
    «Das klingt spannend.»
    «So spannend auch wieder nicht. Das ist der Teil der Widener-Bibliothek, wo Texte mit pornographischen Inhalten aufbewahrt werden. Man braucht einen Schlüssel und die Erlaubnis der Bibliotheksleitung.»
    «Typisch Harvard. Und wie lauten diese siebenundfünfzig Synonyme? Erinnerst du dich noch an welche?»
    «Es sind nur siebenunddreißig. Ja, ein paar weiß ich noch. Aber sie sind ziemlich albern.» «Ach komm. Sag sie mir.»
    «Also gut. Man nennt ihn den Blasebalg, weil er sich aufbläht und wieder entleert. Den Einäugigen, aus offensichtlichen Gründen. Den Glatzköpfigen, ebenfalls aus offensichtlichem Anlass. Den Schläfer. Den Klopfer. Den Zerteiler. Den Weinenden. Den Trügerischen. In dem Stil geht das noch endlos weiter.»
    «Und welcher Name passt auf mich?»
    «Weiß ich noch nicht genau. Dazu bedarf es weiterer Recherchen, wie man unter uns Bücherwürmern zu sagen pflegt.»
    «Und was würde Scheich Nefzawi mir raten?»
    «Er würde sagen: Eine Frau ist wie eine Blume, die ihren Duft nur dann abgibt, wenn sanfte Hände sie berühren. Streng genommen verglich er die Frauen in dieser Hinsicht mit Basilikum, aber das klingt natürlich längst nicht so verführerisch.»
    «Ich bin ein gelehriger Schüler», sagte Taylor, und Anna lächelte und nahm seine Hand.
     
    So setzten sie ihre Recherchen fort, verbrachten einen Großteil der Nacht damit, sich zu lieben, schliefen hinterher ein, wachten wieder auf und wollten mehr. Es war eine lange Nacht der Liebe, in deren Verlauf diese beiden einander fremden Körper sich nach und nach kennenlernten. Sie streiften einander im Halbschlaf, bis einer von beiden die Hand ausstreckte, um diesen unvertrauten Menschen zu berühren, der da mit im Bett lag, ihm einen Kuss aufs Ohr zu hauchen oder irgendeinen dummen Witz zu erzählen. Sie erwachten völlig übernächtigt, erfüllt von jener besonderen Mischung aus Erschöpfung und Seligkeit, die so sehr Teil des Verliebtseins ist. Sie ließen sich Frühstück aufs Zimmer bringen, aßen hungrig und schliefen dann wieder ein.
    Gegen Mittag wachte Anna auf und fragte sich laut: «Sollten wir nicht vielleicht zur Arbeit gehen?»
    «Ach, scheiß drauf», sagte Taylor.
    Und Anna war mehr als einverstanden. Sie schlief noch zwei Stunden und wachte schließlich davon auf, dass Taylor die knisternden Seiten der New York Times umblätterte.
    «Darf ich dich mal was fragen?», sagte Anna, nachdem sie sich die Zähne geputzt und geduscht hatte und dann wieder ins Bett gekrochen war. «Mit wie vielen Frauen hast du in deinem Leben schon

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