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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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in die Zange nahm, und sie damit dazu zwingen, ihrerseits eine Entscheidung zu treffen. Aber sie musste einfach fragen – das war sie sich schuldig.
    «Sind Sie ganz sicher», fragte sie, «dass das Außenministerium keine Einwände erhoben hat?»
    «Lassen Sie mich mal überlegen.» Stone musterte sie, und Anna hielt den Atem an. «Jetzt, wo ich darüber nachdenke, gab es wohl doch eine Kleinigkeit. Offenbar ist einem Mitarbeiterein Gerücht zu Ohren gekommen, dass der Geheimdienst etwas plant, und daraufhin ging eine Anfrage bei der Zentrale ein. Natürlich hat man ihm dort in aller Offenheit gesagt, dass das blanker Unsinn ist. Warum fragen Sie? Machen Sie sich Sorgen darüber, wer unsere kleine Unternehmung autorisiert?»
    «Ein wenig.»
    «Das ist ja auch absolut verständlich», sagte Stone sanft. «Es spricht nur für Sie. Aber keine Sorge, wir sind keine wild gewordenen Vagabunden, die ohne Rückhalt operieren, das kann ich Ihnen versichern. Wir arbeiten auf direkten Befehl aus dem Weißen Haus.»
    «Vom Präsidenten?»
    «Von seinem Sicherheitsberater, was aber auf dasselbe hinausläuft. Wir sind also von höchster Ebene autorisiert. Zugegebenermaßen nicht auf den üblichen bürokratischen Wegen, aber autorisiert sind wir.»
    Anna stieß einen tiefen, ehrlichen Seufzer der Erleichterung aus. «Dann ist ja alles wunderbar. Ich muss gestehen, dass mir diese Frage ganz schön Bauchschmerzen bereitet hat.»
    «Ich muss mich entschuldigen. Ich dachte, ich hätte es bereits erwähnt.»
    «Nein, leider nicht.»
    «Umso mehr freut es mich, dass Sie das Thema angesprochen haben, denn was den rechtlichen Aspekt betrifft, müssen wir natürlich sehr vorsichtig sein. Unglücklicherweise leben wir unter lauter Kleindenkern, die nur darauf warten, uns dabei zu ertappen, wie wir gegen eine ihrer Regeln verstoßen. Wir müssen also äußerste Vorsicht walten lassen, jetzt noch mehr als vorher. Also bitte keine Sonderwünsche mehr an die Radiosender in München. Eine einmalige Aktion war vollkommen unbedenklich, aber ich fürchte, das muss jetzt ein Ende haben.»
    «Warum denn?», erkundigte sich Taylor. «Das Radio kann uns doch unwahrscheinlich nützlich sein.»
    «Die Verwaltung in München hat eine neue Verordnung herausgegeben, die das Ausstrahlen antirussischer Traktate verbietet.»
    «Wie haben die das denn rausgefunden?»
    «Da war wohl irgendjemand unvorsichtig, oder es gab Beschwerden aus Russland. Was weiß ich? Tatsache ist jedenfalls, dass wir aufgeflogen sind.»
    «Und was dürfen wir sonst noch alles nicht?», fragte Taylor.
    «Ach Gottchen.» Stone rückte seine Krawatte zurecht. «Lassen Sie mich überlegen. Es gab eine Phase der Operation, die ich Ihnen beiden gegenüber nicht erwähnt habe, weil ich Sie nicht damit langweilen wollte. Es ging darum, Daten über die sowjetischen Republiken zu sammeln: religiöses und politisches Material von Untergrundbewegungen aus Zentralasien und dem Kaukasus. Detailinformationen, um einen besseren Überblick zu bekommen, was dort tatsächlich schon im Gange ist, und unser eigenes Propagandamaterial entsprechend anzupassen. Aber ich fürchte, das geht jetzt nicht mehr.»
    «Und warum nicht?», fragte Anna.
    «Die üblichen Gründe. Die Zentrale hat angefangen, Fragen zu stellen.»
    «Aber was ist denn daran so schlimm? Warum darf die Zentrale nichts davon wissen, wenn das Projekt sogar vom Weißen Haus abgesegnet wurde?»
    «Weil es trotzdem noch eine verdeckte Operation ist, meine Liebe, die sich aufgrund ihrer äußerst heiklen Materie außerhalb der üblichen bürokratischen Kanäle bewegt. Autorisiert ist sie, das sagte ich ja bereits, allerdings auf etwas verschlungenen Wegen. Manche wissen davon, und andere, von denen maneigentlich vermuten sollte, dass sie davon wüssten, eben nicht. Können Sie mir ungefähr folgen?»
    «Ich denke schon», sagte Anna.
    «Bestens. Dann wollen wir mal sehen, dass wir vorankommen.» Stone erhob sich und deutete auf die vielen Kisten, die das Ladenlokal bevölkerten. «Sie haben sich zweifellos schon gefragt, was es mit all dem Krimskrams hier auf sich hat, der Ihnen das Büro verstopft. Ich werde Ihnen jetzt eine kurze Einführung geben.»
    Er führte sie zu einem Stapel von sechs Kisten, der mitten im Raum stand, gleich neben dem bescheidenen Karpetland-Angebot an Orientteppichen. Er öffnete eine Kiste und nahm eine kleine Broschüre von etwa dreizehn mal achtzehn Zentimetern heraus. Der Umschlag war mit kyrillischen Buchstaben

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