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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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geschlafen?»
    «Keine Ahnung. Fünfzig? Vielleicht auch hundert. Macht dir das was aus?»
    «Nein. Aber das sind schon viele.»
    «Eigentlich nicht, wenn man mal drüber nachdenkt.»
    Anna dachte eine Zeit lang darüber nach, und es erschienen ihr immer noch viele. Sie selbst hatte bisher mit acht Männern geschlafen und erinnerte sich an jeden, an jedes einzelne Detail. Im Rückblick kamen sie ihr alle vor wie kleine Jungs. Ihr kam der Gedanke, dass Taylor vielleicht der erste Mann war, dererste richtig erwachsene Mann, mit dem sie jemals Sex gehabt hatte. Sie war unglaublich neugierig auf ihn, sie wollte die geheime Geschichte und Geographie seines Lebens genau so erforschen wie seinen Körper. Dieser Neugier konnte sie einfach nicht widerstehen, obwohl ihr klar war, dass er nicht gern über sich redete.
    Schließlich fragte sie: «Warum bist du zur CIA gegangen?»
    «Hörte sich nach einem spaßigen Job an. Außerdem ist mir irgendwie nichts Besseres eingefallen.»
    «Im Ernst?»
    «Ja, absolut. Im Grunde meines Herzens bin ich Nihilist. Ein gefühlsduseliger Nihilist. Der Geheimdienst gefiel mir, weil er etwas Romantisches hatte und eigentlich doch für nichts stand. Außerdem dachte ich, ich komme damit um Vietnam herum.»
    «Und was war dein erster Einsatz?»
    «Vietnam.»
    «Ach herrje. Was hat du da gemacht?»
    «Ich war bei der Spionageabwehr in Saigon und habe mir den Arsch aufgerissen, um nordvietnamesische Spione aufzuspüren. Am Ende hat sich dann herausgestellt, dass das alles ein einziger, großer Witz war. Obwohl wir damals keine Ahnung davon hatten, arbeitete das ganze Land fast geschlossen für die NLF, einschließlich der meisten unserer sogenannten ‹eigenen› Agenten.»
    «Und was kam danach?»
    «Saudi-Arabien. Dann Somalia und die Türkei. Und jetzt Rockville. Und dein Bett.»
    «Hat dir die Arbeit gefallen?» Anna ließ nicht locker. Noch wollte sie Taylor nicht erlauben, das Thema zu wechseln.
    «Immer weniger. Ehrlich gesagt fing das alles ziemlich schnell an, mich zu langweilen. Außerdem war ich mit einer Frau verheiratet,die ich nicht besonders mochte, das hat alles noch viel schlimmer gemacht.»
    «Doktor Marcus sagt, Leute wie du sind besonders anfällig dafür, vom KGB rekrutiert zu werden.»
    «Wer ist denn Doktor Marcus?»
    «Ein Geheimdienstpsychologe. Einer meiner Ausbilder.»
    «Ach ja? Tja, ich fürchte, er redet einen Haufen Blödsinn.»
    «Und wie ist es jetzt? Gefällt es dir wieder besser?»
    «Vor ein paar Wochen war ich fast so weit, dass ich kündigen wollte. Aber im Moment gefällt es mir wieder richtig gut. Da steht man doch morgens gleich viel lieber auf.»
    «Aber warum? Was ist anders? Die Arbeit ist doch noch dieselbe.»
    «Mir kommt es vor, als hätte ich endlich den Kern gefunden – die wahre CIA, die unter dem ganzen Mist verborgen ist. Wenn man mit angesehen hat, wie alles auseinanderfällt, kann man erst richtig ermessen, was es heißt zu spüren, dass dieser Kern doch noch existiert. Ich dachte, das wäre alles längst hinüber.»
    «Und was hast du vor, wenn die Karpetland-Sache vorbei ist? Willst du in Istanbul bleiben?»
    «Stell nicht so viele Fragen. Du hörst dich schon an wie meine Exfrau.» Taylor beugte sich vor und zog sie zu sich. Er wollte gar nicht daran denken, dass dieser Job einmal zu Ende gehen könnte.
     
    Am nächsten Morgen rief Margaret im Karpetland-Büro an. Anna hatte ein schlechtes Gewissen: In den vergangenen anderthalb Tagen hatte sie Margarets Bitte um Rückruf völlig vergessen. Die Stimme ihrer Gönnerin klang ausdruckslos und unverbindlich, als drängte es sie, etwas zu sagen, was sieaber nicht am Telefon tun wollte. Sie schlug Anna vor, sich am Abend zum Essen zu treffen, und Anna sagte zu, obwohl sie sich eigentlich auf einen weiteren Abend im Bett mit Taylor gefreut hatte. Sie verabredeten sich in einem kleinen Lokal in Bethesda – das klassische italienische Restaurant, das mit einem Zimmerspringbrunnen und Gipsamoretten ausgestattet war und dessen Besitzer auf Wunsch «That’s Amore» sang.
    Anna freute sich darauf, Margaret zu sehen, und war zugleich ausgesprochen neugierig. Wie hatte diese vornehme alleinstehende Dame im Dienst der CIA bloß herausgefunden, dass sie wieder in Washington war? Und wer in aller Welt hatte ihr die Nummer des Büros in Rockville gegeben, die doch angeblich so streng geheim war? Am liebsten hätte sie Margaret gleich danach gefragt, wer da so indiskret gewesen war, hatte aber auch ein

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