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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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beschriftet. Stone reichte Taylor das Heftchen. «Das ist für Sie, Alan.»
    «Und was soll das bitte sein?», fragte Taylor.
    «Das, mein Freund, ist eine Art Klassiker. Ein Manifest mit dem Titel ‹Turkestan unter sowjetischem Joch›, das 1935 von einem gewissen Mustafa Chokay verfasst wurde. Ich habe mir die Freiheit genommen, es in einem neuen Format wiederaufzulegen, das problemlos in die Tasche eines kaspischen Seemanns oder eines Schafhirten in der Einsamkeit des Tien-Shan-Gebirges passt.»
    «Woher in aller Welt kennen Sie denn Mustafa Chokay?», fragte Taylor.
    «Ich kenne ihn einfach. Ganz ungebildet bin ich eben auch nicht.»
    «Chokay ist Munzers großer Held, etwa so wie George Washington und Abraham Lincoln zusammen. Wussten Sie das?»
    «Ja, ich hatte davon gehört.»
    «Von wem?»
    «Verstricken wir uns doch nicht in Details. Sie sind schließlich nicht der erste Agent, der mit Munzer Achmedow zu tun hat.»
    «Gut, was machen wir also mit dem ganzen Propagandamaterial?» Taylor deutete auf den Stapel Kisten.
    «Ich möchte, dass Sie und Munzer eine Schachtel davon mit nach Istanbul nehmen und sie dort verteilen – und zwar so, dass ein paar Exemplare unserem alten Freund Mr.   Rawls in die Hände fallen. Ein netter kleiner Köder. Ich wette, Rawls beißt schneller an als ein Fisch bei Flutlicht.»
    «Und dann?»
    «Das ist der schwierigere Teil, den ich folglich ganz und gar Ihnen überlasse. Rawls muss auf Munzer aufmerksam werden und glauben, dass er damit auf eine ihm bislang unbekannte turkestanische Untergrundorganisation gestoßen ist. Munzer sollte verlauten lassen, dass seine angebliche Organisation auch Tausende dieser Pamphlete nach Turkestan schmuggelt. Im Detail müssen Sie das ausarbeiten, ich bin mir sicher, Sie beherrschen so etwas sehr viel besser als ich. Mein einziger Rat wäre, dass Sie Rawls das alles nicht zu offensichtlich unter die Nase halten. Lassen Sie ihn arbeiten. Lassen Sie ihn die Puzzlestücke selbst zusammensetzen, andernfalls wird er uns nicht abnehmen, dass das alles wirklich stimmt.»
    «Und was passiert mit den übrigen Schachteln?», fragte Taylor. «Sie sagten, wir sollen eine mit nach Istanbul nehmen, aber dann sind ja noch fünf übrig.»
    «Die, mein Junge, gehen in die Sowjetunion.»
    «Und wie?»
    «Voraussichtlich über Afghanistan. Wir haben Freunde in Pakistan, die dort seit Monaten recht aktiv mit den Rebellen zusammenarbeiten, es sollte also nicht weiter schwierig sein, sie über die afghanische Grenze zu bringen. Eine Schachtel gehtnach Duschanbe in Tadschikistan, eine nach Taschkent in Usbekistan und eine nach Aschgabat in Turkmenistan. Wie ich höre, ist die afghanische Grenze äußerst durchlässig. Und falls die Sowjets unsere kleine Schmugglertruppe auf dem Weg erwischen: umso besser.»
    «Raffiniert.»
    «Vielen Dank. Dann setzen wir doch unseren kleinen Rundgang fort.» Stone ging ein paar Schritte durch den Raum zu einem niedrigeren Stapel gleich neben dem Tisch mit den Teppichbodenmustern. Wie zuvor öffnete er die oberste Schachtel und nahm ein kleines Schriftstück heraus. Es hatte dasselbe Pamphletformat wie das erste, doch das Titelblatt zeigte, in arabischer Schrift, die erste Sure des Koran. Darunter stand in einer kyrillischen Turkschrift der Titel.
    «Hier.» Stone reichte Anna das Heftchen. «Die sind für Sie. Lesen Sie uns doch bitte den Titel vor.»
    «Ein Führer zu den heiligen Stätten in Aserbaidschan und im nördlichen Kaukasus», las Anna.
    «Die sind für Ihren Freund Mr.   Ascari. Ein Überblick über die heiligen Stätten des Islam. Ganz wundersame Orte. Ein Fels im Dorf Buzovna in Aserbaidschan, auf dem sich angeblich ein Fußabdruck Alis befindet. Der Berg Salbuz-dag in Dagestan, von dem aus der Prophet der Legende nach zu Pferd gen Himmel aufgestiegen ist und eine Hufspur hinterlassen hat. Ein Konkurrenz-Felsendom, sozusagen. Sagenhaft! Außerdem listet das Büchlein die Grabstätten verschiedener Sufi-Märtyrer auf, die im Kampf gegen die Sowjets gefallen sind. Ein wirklich hinreißendes kleines Werk. Eine überarbeitete Fassung des Buches, das Sie Ascari vor Monaten in Istanbul geschenkt haben und das ihm ja offenbar ganz gut gefallen hat.»
    Anna nickte. «Mr.   Ascari bezeichnet sich gern als religiös.»
    «Nun, dann wird ihm das mit Sicherheit zusagen. Wir haben fünftausend davon. Ich möchte, dass Sie und Frank mit Ascari eine Möglichkeit arrangieren, sie über die iranische Grenze nach Aserbaidschan zu

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