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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Agenten. Ich habe in Paris jemanden aufgetrieben, der nahezu perfekt für die Rolle ist.»
    «Wie schön. Ich bin allerdings nach wie vor nicht sicher, ob wir noch jemanden mit ins Boot holen sollten. Schließlich haben wir auch so schon genug logistische Probleme.»
    «Dieser Mann stellt uns vor keine logistischen Probleme. Im Gegenteil. Er könnte völlig selbständig arbeiten.»
    «Wie das?»
    «Er ist kein Emigrant, sondern ein Sowjetbürger. In ein paar Monaten kehrt er nach Eriwan zurück, wir sparen uns also zusätzliche Sondierungsarbeiten.»
    «Tut mir leid, aber das kommt überhaupt nicht in Frage.»
    «Warum denn nicht, verdammt?» Anna war sauer. Für sie war das Armenienprojekt ein Stück selbsterobertes Territorium, und nun wollte Stone es ihr einfach wieder wegnehmen.
    «Das ist viel zu gefährlich.»
    «Für wen? Für ihn oder für uns?» «Für alle, aber vor allem für ihn.»
    «Da irren Sie sich», sagte Anna.
    Stone funkelte sie wütend an. Er war es nicht gewöhnt, dass man seine Einschätzungen in Zweifel zog.
    «Er wird selbst wissen, wie er sich verhalten soll», fuhr Anna fort. «Außerdem wollen wir ihn ja keinen Risiken aussetzen. Laut seiner Akte äußert er seine Meinung zu Armenien recht unverblümt, also bewegt er sich wohl ohnehin schon auf dünnem Eis.»
    «Ich werde darüber nachdenken. Aber machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen.»
    «Für langes Nachdenken bleibt keine Zeit, Mr.   Stone. Er kehrt bald nach Hause zurück. Ich bitte Sie doch nur darum, ihn mir näher ansehen zu dürfen.»
    «Und was lässt Sie glauben, dass Sie ihn rekrutieren können?»
    «Intuition.»
    «Mit Verlaub, meine Liebe, aber das ist Blödsinn.»
    «Das können Sie von mir aus denken, solange Sie es mich nur versuchen lassen.»
    «Nichts lieber als das, aber wir befinden uns gerade in einer kritischen Phase, sehr viel kritischer, als Ihnen vielleicht bewusst ist. Ich will Sie nicht mit Details langweilen, aber es gibt ein paar Probleme mit der Zentrale. Wir können uns keine weiteren Belastungen erlauben.»
    «Bin ich etwa eine Belastung?» Annas Stimme zitterte vor Zorn.
    «Ich rede hier nicht von Ihnen, Anna, sondern Ihrem Armenier.»
    «Alan wird mich sicher unterstützen. Und Frank Hoffman ebenfalls, wenn ich ihn darum bitte.»
    «Ich muss schon sagen, Sie sind reichlich dickköpfig.»
    «Sie haben mir versprochen, mich diese Möglichkeit ausloten zu lassen, Mr.   Stone. Wenn Sie jetzt einen Rückzieher machen, muss ich wohl auch etliche andere Dinge neu überdenken.»
    «Was soll das heißen?»
    «Das heißt, ich will nach Paris.»
    «Verstehe.» Stone dachte lange darüber nach – lange genug, um Annas Entschlossenheit bröckeln zu lassen, falls sie brüchig war. Doch Anna blieb völlig reglos vor ihm sitzen, felsenfest überzeugt, dass das, was sie vorschlug, richtig und sinnvoll war. Und Stone, das musste man ihm lassen, konnte recht gut beurteilen, wann er an seine Grenzen stieß.
    «Also schön», sagte er schließlich. «Aber bevor Sie aufbrechen, will ich ein überzeugendes Szenario für die Rekrutierung und die Abwicklung. Den üblichen Papierkram und noch einiges mehr. Und danach sind Sie auf sich allein gestellt.»
    Anna nickte und gestattete sich ein züchtiges, bescheiden triumphierendes Lächeln. Stone musterte ihr hübsches Gesicht. In ihren Augen lag eine Entschlossenheit, die er, hätte er sich nur weniger bedrängt gefühlt, sicherlich als Produkt seiner eigenenUnterweisung erkannt hätte. In gewisser Weise war es ein Sieg seiner eigenen Methodik, ein weiterer Triumph für die alten Knaben.
     
    36  Doktor Antoyan wohnte in einem Vorort im Süden von Paris, in einem der Wohnheime für ausländische Studenten, aus denen die Cité Universitaire besteht. Tagsüber arbeitete er an der Medizinischen Fakultät in der Nähe des Boulevard St.-Germain . Der junge armenische Arzt war ein Gewohnheitsmensch: Jeden Morgen nahm er pünktlich um halb neun die Métro, stieg in Denfert-Rochereau um, und wenn er in St.- Germain -des-Près angekommen war, ging er das letzten Stück bis zur Rue de l’École-de-Médecine zu Fuß. Das Beste an ihm war jedoch – zumindest aus Annas Perspektive   –, dass seine Akten keinerlei Hinweise auf Beziehungen zum KGB enthielten. Er war einfach nur ein junger und allem Anschein nach äußerst talentierter medizinischer Wissenschaftler, der ins Ausland gegangen war, um seine Fähigkeiten zu vervollkommnen.
    Anna hatte sich für das einfachste und

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