Das Netzwerk
hatte nicht einmal einen Schubs gebraucht. Aber wusste er auch, was auf der anderen Seite lag?
«Ich werde Ihnen sagen, was ich mache», begann sie, «damit später keine Missverständnisse zwischen uns aufkommen. Meine Stiftung arbeitet eng mit der Regierung zusammen …»
«Sagen Sie’s nicht», unterbrach er sie.
«Aber Sie müssen ein paar Dinge wissen. Ich arbeite für …»
«Sagen Sie es nicht!», wiederholte er in schärferem Ton. «Das bleibt besser unausgesprochen.»
Anna schwieg und dachte nach. Sie war natürlich nicht verpflichtet, ihm die Details auseinanderzusetzen, doch irgendwie war ihr unwohl dabei, den eigentlichen Kern ihres Verhältnisses nicht anzusprechen.
«Manchmal», sagte sie, «ist es besser, genau zu wissen, woraufman sich einlässt. Sonst können Dinge passieren, mit denen man nicht rechnet.»
«Und manchmal ist es besser, alles etwas im Diffusen zu lassen. Ich möchte etwas sehr Spezifisches von Ihnen. Wenn Sie mir das beschaffen können, ist alles andere irrelevant.»
Anna fühlte sich merkwürdig desorientiert: Sie schien nicht mehr nur Jägerin, sondern auch Beute zu sein. «Und was wollen Sie von mir?», fragte sie.
«Meine Freunde und ich haben beschlossen, dass Armenien sich der Revolution anschließen soll.»
«Wie bitte?»
«Der Revolution der einen Welt. Wenn man aus der Sowjetunion in eine Stadt wie Paris kommt, wird einem klar, dass das, was in der Welt vor sich geht, nichts mit Sozialismus oder Kapitalismus oder überhaupt mit Politik zu tun hat. Es geht ausschließlich um Kommunikation. Die Welt wird immer mehr zu einer Welt, und wir Armenier wollen dabei sein. Und zwar jetzt.»
«Aber wo denn dabei? Ich verstehe immer noch nicht, was Sie meinen.»
«Wir wollen abends mit euch am selben Lagerfeuer sitzen. Wir wollen dieselben Nachrichten im Fernsehen sehen, dieselben Filme im Kino am Samstagabend, und wir wollen zur selben Musik tanzen. Wir wollen an euren Gesprächen teilhaben. Wenn uns das gelingt, kommt alles andere ganz von selbst.»
«Aber wie soll ich Ihnen dabei helfen?»
«Das ist im Grunde ganz einfach.» Aram Antoyan streckte ihr die Hände entgegen. «Es ist nur eine Frage der richtigen Antennen.»
Einen Moment lang fragte sich Anna, ob er sie vielleicht auf den Arm nehmen wollte. «Antennen?»
«Fernsehantennen.»
«Was reden Sie denn da, Aram? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?»
«Aber nein! Ernster könnte ich es gar nicht meinen. Der Kreml fürchtet sich davor, dass die USA bald einen Satelliten ins All schicken, der Fernsehbilder auch in die Sowjetunion überträgt. Das weiß ich von einem Freund, der beim Zentralen Wissenschaftlichen Forschungsinstitut Nummer 50 in Bolschewo arbeitet, ganz in der Nähe von Moskau. Er sagt, das Politbüro habe vor ein paar Jahren sein ganzes Labor aufgefordert, die Arbeit an den Waffen zur Satellitenabwehr einzustellen und stattdessen eine Möglichkeit zu finden, die Fernsehsatelliten daran hindert, Bilder zu übertragen.»
«Tatsächlich?» Anna versuchte fieberhaft, sich Namen und Standort dieses Instituts einzuprägen. «Und zu welchem Ergebnis sind sie gekommen?»
«Zu gar keinem. Sie sagen, es sei unmöglich, dazu müsste man den Satelliten schon abschießen.»
«Aber es gibt doch gar keinen Fernsehsatelliten über der Sowjetunion.»
«Nein, aber über Europa gibt es einen, und es werden noch mehr werden.»
«Das mag ja alles sein, aber was nützt Ihnen das? Sie können die Signale in der Sowjetunion trotzdem nicht auffangen. Dem KGB würde eine Satellitenschüssel sofort auffallen.»
«So ist es. Aber, meine liebe Miss Morgan, man braucht gar keine Satellitenschüssel. Man kann auch etwas anderes verwenden, das kaum größer ist als diese Tischplatte hier.» Er deutete auf den kleinen Beistelltisch neben dem Sofa.
«Unsinn.»
«Man nennt so etwas phasengesteuerte Satellitenantennen.Sie lassen sich wie Satellitenschüsseln darauf einstellen, die Bilder eines Satelliten zu empfangen, aber die Ausrichtung erfolgt elektronisch, nicht physisch. Man kann die Geräte einfach an die Hauswand hängen oder aufs Dach legen, wo sie praktisch unsichtbar sind.»
«Das meinen Sie jetzt nicht ernst?»
«Absolut. Es handelt sich um ein wunderbar einfaches Gerät, das allerdings leider noch nicht im Handel erhältlich ist. Aber vielleicht kann Ihre Stiftung uns dabei helfen, eines zu bekommen.»
«Was würden Sie damit machen?»
«Wir würden es dazu nutzen, Eriwan mit der Welt zu
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