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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Ferne die Autohupen vom Place St.-Michel.
    «Irgendetwas macht Ihnen Sorgen», sagte Antoyan schließlich. «Im Zusammenhang mit der Arbeit.»
    «Stimmt.» Anna wurde zunehmend neugieriger und interessierter. «Aber worum mache ich mir Sorgen?»
    Er betrachtete ihre Hand und sah dann unter schwarzen Brauen hervor zu ihr auf. Um seine Lippen spielte das feine Lächeln, das sich immer dann zu zeigen schien, wenn sie sich dem Thema ihrer wahren Tätigkeit näherten.
    «Das weiß ich nicht», sagte er. «Aber Sie haben sich in irgendetwas verstrickt, dem Sie nicht entkommen können und auch nicht entkommen wollen. Und das wird mehr und mehr zu Ihrem Schicksal.»
    Anna fröstelte, als wäre ein kühler Windstoß vom Fluss herübergekommen. «Gehen wir weiter», sagte sie. «Mir ist kalt.»
    Der Armenier zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Schweigend gingen sie ein paar Meter am Ufer entlang.
    «Sie sind gar kein Wahrsager», sagte Anna nach einiger Zeit. «Sie sind einfach nur ein guter Menschenkenner. Alles, was Sie gesagt haben, trifft doch irgendwie auf jeden zu. Alle Menschen wollen sich verlieben. Und alle haben Sorgen bei der Arbeit.»
    «Vielleicht haben Sie recht», sagte Antoyan. «Doch die Kunst des Handlesens besteht darin, zum Herzen eines Menschen zu sprechen. Und das ist schwieriger, als man denken sollte.»
    Anna warf ihm einen halb zärtlichen, halb misstrauischen Blick zu. Auf eine eigentümliche Weise hatte ihr Verhältnis angefangen, sich zu verschieben – und Anna war sich nicht mehr sicher, wer hier unter wessen Kontrolle stand. Sie spürte, dass sie an Boden verlor, und wollte das Gleichgewicht wiederherstellen.
    «Hören Sie, Aram», sagte sie. «Wann fahren Sie wieder nach Hause?»
    «Leider schon in zwei Wochen.»
    «Wenn Sie wieder in Eriwan sind, wären Sie dann bereit, mit mir in Kontakt zu bleiben?»
    «Warum fragen Sie?»
    «Was Sie mir über Armenien erzählt haben, interessiert mich sehr und meine Stiftung ebenfalls. Wir würden Sie gern dafür bezahlen, dass Sie uns unterstützen.»
    Der Armenier ging lange schweigend neben ihr her. Er blickte zu Boden und schien ganz in Gedanken verloren.
    Schließlich sagte er: «Essen Sie morgen mit mir zu Abend, dann besprechen wir das alles. Es gibt da auch ein paar Dinge,über die ich gern mit Ihnen reden würde. Aber lassen Sie uns nicht ständig von Geld reden. Ich will durchaus etwas von Ihnen, aber das hat nichts mit Geld zu tun.»
    «Wo sollen wir uns denn treffen? In der Cité Universitaire?»
    «Nein, das ist kein guter Ort. Dort würde man uns sehen. Vielleicht können wir uns ja in Ihrem Hotel treffen.»
    «Aha. Sie sorgen sich also doch darum, ob uns jemand sieht.»
    «Natürlich», erwiderte Antoyan. «Ich sagte doch schon, ich will kein Opfer sein.»
     
    37  Anna hatte im Bristol eine kleine Suite gemietet. Die Zimmer waren schlicht und geschmackvoll möbliert und mit edlen Stoffen in Beige und hellem Grau ausgestattet. Das Ganze kostete fast zweitausend Francs die Nacht, was 1979 einem kleinen Vermögen gleichkam, doch das Geld schien in endloser Fülle von den Konten in Rockville zu fließen, und Anna war es in den letzten paar Monaten zur angenehmen Gewohnheit geworden, feudal zu reisen. Auch das gehörte zu den vielen kleinen Korruptheiten, die sich zunehmend in ihr Leben schlichen, je tiefer sie in das Reich der Geheimoperationen ohne Rechtfertigungszwang vordrang.
    Aram Antoyan rief aus der Hotelhalle an und schlug vor heraufzukommen, und Anna willigte ohne Zögern ein. Insgeheim hatte sie gehofft, dass er das vorschlagen würde. Ein Treffen auf dem Zimmer war sicherer und auch intimer, und Anna hielt beides für gute Voraussetzungen für ein professionelles Vorgehen. Erst hatte sie sogar die Birnen aus den Lampen gedreht, wie Hoffman es in Athen gemacht hatte, doch dann erschien es ihr zu dunkel im Raum, und sie drehte sie wieder hinein. Außerdemhatte sie aufgeräumt und sich in ein weiteres, neuerworbenes Outfit aus der Rue du Faubourg-St.-Honoré geworfen, ein schlichtes, schwarzes Kleid. Sie ging zur Minibar und schenkte zwei Gläser Wodka ein, eines für Aram und eines für sich.
    Während sie auf das Klopfen wartete, ging Anna im Geist noch einmal ihren Plan durch. Der Kern jeder erfolgreichen Rekrutierung bestand darin, Kontrolle zu bewahren, über die eigenen Gefühle und die der Zielperson. Sie dachte daran, was Hoffman in Athen zu ihr gesagt und was auch Margaret Houghton ihr vor so langer Zeit in

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