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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Sie war wie gelähmt von einer Mischung aus Angst und Fassungslosigkeit darüber, dass dieser lächerliche kleine Kerl tatsächlich glaubte, sie würde mit ihm ins Bett gehen. Sie wollte schreien, doch ihre Stimme versagte den Dienst. Ascari taumelte auf sie zu, griff nach dem Ausschnitt ihres Kleides und riss daran, bis ein Stück BH sichtbar wurde. Das brachte Annas Stimme zurück.
    «Finger weg, Sie fettes Schwein!»
    Sie griff nach ihrer Handtasche, um das Abwehrspray zu zücken, das sie in London gekauft hatte. Doch Ascari war auch diesmal schneller und schlug ihr die Tasche aus der Hand. Scheiße, dachte Anna. Ihr Kopf schwirrte, und ihr fiel nichts anderes ein, als lauthals um Hilfe zu rufen, obwohl sie beim besten Willen nicht wusste, wie sie dem Sicherheitsdienst des Hotels, geschweige denn der Istanbuler Polizei, erklären sollte, was sie in Ascaris Hotelzimmer zu suchen hatte. Bleib ganz ruhig, ermahnte sie sich. Und fang bloß nicht an zu heulen.
    «Sie lassen mich jetzt gehen!» Sie hielt das zerrissene Kleid vor der Brust zusammen und gab sich alle Mühe, ruhig und beherrscht zu klingen. «Bei der amerikanischen Botschaft weiß man, wo ich bin. Falls mir etwas zustößt, wird Ihnen das angelastet. Ich warne Sie. Gehen Sie weg von der Tür und lassen Sie mich gehen.»
    «Schnauze!», fauchte Ascari. Das Handgemenge schien ihn nur noch tollkühner zu machen. Er trat an den kleinen Tisch neben der Tür, griff in die oberste Schublade und zog ein kurzes Messer mit gebogener Klinge hervor. Ein Brieföffner, der allerdings auch keine schlechte Waffe abgab. «Und jetzt», sagte er, «bist du besser lieb zu Ali Baba!»
    Großer Gott, dachte Anna. Was soll ich jetzt bloß machen? Ihr Blick zuckte hektisch durch das Zimmer, auf der Suche nach irgendeiner Waffe oder Fluchtmöglichkeit. Die Tür war abgeschlossen, das Zimmer zu weit oben, um aus dem Fenster zu springen. Dann sah sie das Telefon und daneben die halbvolle Whiskeyflasche.
    «Wie sieht CI A-Lady wohl ohne Kleider aus?» Ascari kam mit dem Messer auf sie zu. «Ob du tausend Dollar wert bist?» Er hob das Messer und brach in eine Art Kriegsgeheul aus.
    Während Ascari immer näher kam, wich Anna in Richtung Telefontisch zurück. Er beschimpfte sie jetzt auf Farsi, nannte sie eine Hure, die Mutter aller Huren. Anna spürte, wie ihr die Knie zitterten. Tu’s einfach!, befahl sie sich. Als sie fast an dem kleinen Tisch war, stürzte sie vor und griff mit einer Hand nach der Flasche und mit der anderen nach dem Telefonhörer. Ihr Körper reagierte sehr viel entschlossener, als ihr Kopf es für möglich gehalten hätte.
    «Zurück!», rief sie und drohte Ascari mit der Flasche. Der Iraner war von ihrer plötzlichen Aktion so überrascht, dass er unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
    «Keine Bewegung!» Anna versuchte, mit der Hand, in der sie den Hörer hielt, die Null zu wählen, doch ihr Finger glitt aus der Wählscheibe. Ascari sah das Missgeschick und lachte laut. Bevor sie noch einmal wählen konnte, stürzte er sich mit seinem kleinen Krummsäbel auf sie und brüllte dabei etwas auf Persisch.
    Anna ließ den Hörer fallen und nahm instinktiv die Kampfhaltung ein, die ihr ein Trainer Monate zuvor in einem der Motelzimmer in Arlington beigebracht hatte. Als Ascari auf sie losging, drehte sie sich blitzschnell zur Seite, wodurch er aus dem Gleichgewicht geriet. Diesen Moment nutzte Anna, holte mit der Whiskeyflasche aus und schlug zu. Sie traf ihn nicht am Kopf, sondern am rechten Oberarm, direkt über dem Ellenbogen, aber Ascari fiel zu Boden, fast ebenso sehr vom Schreck überwältigt wie vom eigentlichen Schlag.
    Einen Augenblick lang starrte Anna ihn an, fassungslos über das, was sie getan hatte. Ihr Arm, der immer noch die Whiskeyflasche hielt, kribbelte, als liefe eine Stromleitung hindurch. Ascari versuchte mühsam, sich aufzurappeln. Worauf wartete sie noch? Wenn sie jetzt losrannte, schaffte sie es mit Sicherheit aus dem Zimmer. Doch Ascari würde ihr trotzdem folgen, undAnna hatte plötzlich das Gefühl, im Leben schon oft genug davongelaufen zu sein. Sie holte erneut aus. Ihr ganzer Körper bebte vor Energie, als wäre irgendwo ein bisher unbekannter Schalter umgelegt worden.
    In dem Moment, als Ascari ihr das Gesicht zuwandte, schlug Anna mit der Flasche zu. Diesmal traf sie ihn an der Stirn, so fest, dass es ihm eine Platzwunde verursachte, aber nicht fest genug, dass die Flasche zerbrochen wäre. Ascari schrie auf und sank zurück auf

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