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das Thema. Zum Teufel mit den Waffen aus Bulgarien.
«Was gibt’s Neues von Ihren linken Freunden an der Universität?»
Bülent, dem dieses Thema sehr viel mehr lag, stieß einen erfreuten Seufzer aus. «Ich habe große Neuigkeiten für Sie. Dev-Yol und Dev-Sol liegen sich wieder in den Haaren.»
«Helfen Sie mir auf die Sprünge. Wer ist das gleich nochmal?»
«Gerne. Die Leute von Dev-Yol glauben, dass die Revolution auf dem Land beginnen und sich dann auf die Städte ausdehnen muss. Die von Dev-Sol glauben, dass die Revolution in der Stadt beginnen und von dort auf das Land übergreifen soll. Die einen hassen die anderen so sehr, dass sie aufeinander schießen.»
«Was tut die Polizei dagegen?»
«Welche? Die Pol-Bir oder die Pol-Der?»
«Bitte, reden Sie Klartext, Bülent.»
«Die Pol-Bir ist die rechte Fraktion bei der Polizei, die Pol-Der die linke.»
«Das weiß ich. Aber was tut welche Polizei gegen die Fehde zwischen Dev-Yol und Dev-Sol?»
«Keine von beiden tut da irgendwas. Sie glauben nämlich, dass die CIA bei diesem Konflikt die Strippen zieht.» Er sah Taylor erwartungsvoll an. Selbst ein so gebildeter Mensch wie Bülent glaubte trotz aller Gegenbeweise offenbar immer noch, wie viele seiner Landsleute, an die Allmacht Amerikas. Taylor wollte ihn nicht enttäuschen.
«Psst!», zischte er und zwinkerte Bülent zu. Bülent nickte. Bereits der bloße Gedanke an dieses mächtige, weit entfernte Amerika – das ihn aufgenommen und ausgebildet hatte – schien ihn zum Weitermachen zu motivieren. Taylor warf einen Blick auf seine Uhr.
«Noch eine Frage, dann gebe ich Ihnen Ihr Geld», sagte er. «Was redet man auf dem Campus über den Iran? Haben die islamischen Studentenverbindungen großen Zulauf?»
«Eigentlich nicht», antwortete Bülent. «Meistens sind es arme Kerle vom Land oder hässliche Mädchen, die sich ihnen anschließen. Machen Sie sich wegen denen keine Gedanken. Das sind alles Verlierer.»
«Wie viel Geld geben die islamischen Studentenverbindungen denn ihren Mitgliedern?»
«Nicht viel. Weniger, als die Linken verteilen. Ungefähr so viel wie die Rechten.»
«Und woher kommt das Geld?»
«Aus dem Iran», sagte Bülent. Wahrscheinlich traf das sogarzu, aber bestimmt hatte er nur geraten. Was für eine Zeitverschwendung, dachte Taylor. Er griff in seine Manteltasche und zog einen Umschlag heraus.
«Hier ist Ihr Honorar», sagte Taylor und überreichte ihm den Umschlag. Er enthielt achtzig Dollar.
«Vielen, vielen Dank», erwiderte der Türke. Seine Dankbarkeit war geradezu absurd angesichts des lächerlichen Betrags, den ihm die CIA bezahlte. Knauserigkeit macht sich bezahlt, hatte Taylor vor langer Zeit gelernt. Niemals durfte man jemandem so viel bezahlen, dass sein neuer Reichtum ihn verdächtig machen könnte. Das war eine eiserne Regel des Spionagegeschäfts und einer der Gründe dafür, weshalb man damit fast nie großes Geld machen konnte.
Am nächsten Tag hatte Taylor eines seiner regelmäßigen Treffen mit Serif Osman, seinem Verbindungsmann beim türkischen Geheimdienst. Von der sonst so selbstsicheren, würdevollen Art des byzantinischen Agentenführers war diesmal nichts zu spüren. Osman sah abgespannt aus und wirkte auf Taylor wie ein zermürbter Polizist in einem Entwicklungsland, der die rebellische Bevölkerung nicht mehr unter Kontrolle hat. Selbst sein Schnurrbart, normalerweise sorgsam gestutzt und gekämmt, sah ein wenig struppig aus.
«Macht Ihnen etwas Sorgen?», fragte Taylor.
«Die östlichen Provinzen», erwiderte der Türke. Der Ausdruck war die Umschreibung für ein Wort, das türkische Sicherheitsleute lieber nicht laut aussprachen: Kurden.
«Was ist los in den östlichen Provinzen?»
«Ausländische Elemente schüren Aufruhr.» Mit den ausländischen Elementen meinte er die Sowjetunion. Beim türkischen Geheimdienst war man der festen Überzeugung, dass Moskaudurch die Unterstützung kurdischer Rebellen die Türkei zu vernichten trachtete.
«Und wie genau?»
«Es hat wieder mal eine Beerdigung gegeben, und die linken Agitatoren haben das ausgenutzt. Die Armee musste einschreiten.»
«Was werden Sie unternehmen?»
«Hart durchgreifen, wie immer.»
Serif ging zum Fenster seines Büros, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den von einem großen Park umgebenen Yildiz-Palast hatte, wo Sultan Abdülhamid im späten 19. Jahrhundert über sein immer schneller zerfallendes Reich herrschte.
«Eines muss man Abdülhamid lassen»,
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