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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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schweißüberströmten Arbeiter im Weinberg der Geheimdienstarbeit zeigte. So etwas wäre ihnen viel zu vulgär gewesen. Und zu öffentlich. Wenn die CIA ihre Traditionen würdigen wollte, dann ließ sie bei Tiffany einen schönen Silberteller gravieren, denn schließlich war die CIA etwas ganz Besonderes. Sie war das Produkt eines Amerika, das den Idealismus und das Durcheinander der 1930er Jahrehinter sich gelassen hatte und innerhalb weniger Jahre knallhart, selbstsicher und zynisch geworden war. Die CIA und ihre Vorgängerorganisation waren geschaffen worden, um die USA vor dem Untergang zu retten, und dieser Untergang drohte nicht durch schwer greifbare soziale Probleme wie Armut und Ungerechtigkeit über das Land hereinzubrechen, sondern durch die Deutschen und Japaner und – etwas später, aber dafür umso nachhaltiger – die Russen.
    Dieser Umstand erklärte auch Edward Stones Sonderstatus in der CIA. Im Jahr 1979 war er einer der letzten noch verbliebenen Veteranen aus der Gründergeneration in Langley. Er war einer der ganz wenigen, die noch wussten, dass eine « Q-Erlaubnis » ursprünglich bedeutete, dass einem der Zugang zum Gebäude Q gestattet war, eine jener provisorischen Holzbaracken in Foggy Bottom, in denen die CIA in ihrer Anfangszeit untergebracht war. Stone wusste auch noch, dass man damals in kleinen Bussen zwischen den einzelnen Gebäuden hin und her gefahren wurde und dass die Busse «grüne Käfer» genannt wurden. Viel entscheidender aber war, dass er sich noch daran erinnerte, wie unorthodox die CIA zu jener Zeit gearbeitet hatte, als es noch so gut keine Vorschriften gab und man sich deshalb selber etwas hatte einfallen lassen müssen.
    Von seiner Abstammung her war Stone halb Brite, halb Deutscher, und das war in den Augen der CIA in etwa der beste Stammbaum, den man überhaupt haben konnte. Bei Kriegsbeginn war Stone als junger, dem OSS zugeteilter Armeeoffizier nach London versetzt worden und hatte zusammen mit den Briten daran gearbeitet, das Spionagenetz der Nazis zu enttarnen. Als der Krieg vorbei war, ging er nach Deutschland und führte diese Arbeit fort, indem er die ehemaligen Naziagenten im Osten für die CIA weiterarbeiten ließ. So bauten Stone undseine Kollegen mit dem Material zweier vom Krieg erschöpfter Großmächte   – Großbritannien und Deutschland – den amerikanischen Geheimdienst auf. Von den Briten übernahmen sie das Know-how und den Sportsgeist, von den Deutschen ihr weitverzweigtes Agentennetz. Was herauskam, war eine seltsame Mischung, aber man hatte damals keine Zeit, sich groß Gedanken zu machen.
    Die Lehren jener Anfangsjahre waren auch nach drei Jahrzehnten noch immer in Stones Gehirn eingebrannt: Die Sowjets waren rücksichtslose, mit allen Wassern gewaschene Gegner, die Europäer feige Opportunisten und die Amerikaner und Briten letzte Hoffnung der Menschheit – nicht alle, wohlgemerkt, aber die unter ihnen, die noch Mumm in den Knochen hatten. Obwohl Stone im Jahr 1979 schon seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr dem Militär angehörte, trug er immer noch eine Art Uniform: korrekt-konservative englische Anzüge aus Flanell oder Tweed, robuste Schuhe mit gewachsten Schnürsenkeln sowie zwei Homburgs: einen braunen für den Alltag und einen grauen mit steifer Krempe für festliche Anlässe. Er sah nicht die geringste Notwendigkeit, an dieser angloamerikanischen Beamtenuniform etwas zu ändern: Wenn einer seiner Anzüge so abgetragen aussah, dass er ihn nicht mehr anziehen konnte, ließ er sich von seinem Schneider einen neuen in demselben Schnitt und in derselben Farbe anfertigen. Dieselbe Einstellung hatte er gegenüber seiner Arbeit bei der CIA.
    Den «Wandel» während der großen amerikanischen Kulturrevolution in den 1970er Jahren hatte Stone nicht mitgemacht, und das, was am Ende dieses Jahrzehnts aus der CIA geworden war, erfüllte ihn nicht selten mit Abscheu. Es kam ihm schäbig und würdelos vor, dass irgendwelche dahergelaufenen Kongressabgeordneten eine Anhörung nach der anderen veranstaltetenund damit nicht nur Leute wie ihn von der Arbeit abhielten, sondern darüber hinaus auch die Geheimhaltung ihrer Aufgaben gefährdeten. «Beaufsichtigung» hieß das neue Zauberwort. Vielleicht glaubten die Abgeordneten ja wirklich, dass ein schmutziges Geschäft allein dadurch schon sauber wurde, dass Menschen wie sie darin herumfuhrwerkten, aber für Stone stand nach fünfunddreißig Dienstjahren fest, dass in diesem Metier eine Aktion nur

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