Das Netzwerk
antisowjetisches Untergrundnetz betreiben.»
Taylor lächelte. Die Idee klang bestechend einfach. «Aber werden sie uns das abnehmen?»
«Wenn sie glauben, sie wären uns von selber auf die Schliche gekommen, dann schon.»
«Und was machen wir mit diesem imaginären Netzwerk?»
«Wir führen Operationen durch. Oder genauer gesagt: Wir schaffen die Illusion, dass wir Operationen durchführen. Wir lassen zum Beispiel Rawls über eine erfundene Untergrundorganisation stolpern, die angeblich Waffen nach Aserbaidschan schickt, und sorgen dafür, dass der KGB in Baku tatsächlich Waffen findet. Oder wir spielen Rawls die Information zu, dass der Untergrund große Mengen an Tonbandkassetten mit islamischen Predigten zu Untergrund-Mullahs in Usbekistan schmuggelt. Wenn der KG B-Mann in Samarkand auch nur ein paar Dutzend solcher Kassetten findet, glaubt uns Moskau das ganze Theater.»
Taylor bemühte sich, nicht allzu beeindruckt zu klingen. «Nicht schlecht», meinte er.
«Das Bestechende an der Sache ist, dass wir gar kein richtiges Untergrundnetzwerk aufbauen, sondern nur geschickt ein paar Hinweise lancieren müssen. Alles andere erledigt sich von selbst.»
«Mr. Stone, Sie sind ein ausgebuffter Mistkerl.»
«Vielen Dank. Aus Ihrem Mund nehme ich das als großes Kompliment.»
«Womit fangen wir an?»
«Sie brauchen ein kleines Team. Ein halbes Dutzend Leute, höchstens. Überwiegend Personen, die Sie sich selber aussuchen, denke ich. Niemand darf erfahren, dass diese Leute für Sie arbeiten, nicht einmal die CIA. Die auf gar keinen Fall. Die Details besprechen wir, wenn wir wieder zu Hause sind. Können Sie mich in zwei Wochen in Washington besuchen?»
«Kommt drauf an, ob die Zentrale mich lässt.»
«Ach, darüber würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen. In diesem Fall bin ich wohl die Zentrale. Ich werde alles Notwendige in die Wege leiten.»
«Dann werde ich kommen.»
«Noch etwas?»
Taylor dachte einen Augenblick nach, über das Leben, das er im Begriff war aufzugeben, und über das neue, das jetzt anfing. Auf einmal musste er an ein Gespräch denken, das er einige Wochen zuvor mit einer jungen Frau aus London geführt hatte. Sie hatte damals ein außergewöhnliches Wissen über die Sowjetvölker in Zentralasien an den Tag gelegt.
«In Sachen Mitarbeiter hätte ich schon jemanden im Auge», sagte Taylor.
«Und wer wäre das?»
«Eine NOC namens Anna Barnes. Bevor sie zu unserem Verein gekommen ist, hat sie osmanische Geschichte studiert und kennt sich in diesem Teil der Welt sehr gut aus.»
«Anna Barnes», wiederholte Stone. Um seine Mundwinkel spielte ein seltsames Lächeln, wie immer, wenn ihm jemand hinter eines seiner Spielchen kam.
«Richtig. Anna Barnes.»
«Interessant, dass Sie sie erwähnen. Zufälligerweise steht Miss Anna Barnes nämlich bereits auf meiner Liste. Ich habesogar vor, mich morgen in London mit ihr zu treffen. Wenn wir Glück haben, wird sie dann bei unserem Treffen in Washington mit dabei sein.»
Doch Stone überließ eine Sache niemals allein dem Glück. Die Berufung von Anna Barnes nach Washington war schon in Arbeit, als er am Abend in Heathrow landete.
V
KARPETLAND
Washington/Brooklyn/Athen
Mai 1979
21 Auf dem Schild an der Tür stand «Karpetland» und darunter, in etwas kleinerer Schrift: «Die Welt zu Ihren Füßen». Der Laden selbst befand sich im ersten Stock eines Bürohauses, ganz in der Nähe der Rockville Pike, in einem jener kleinen Einkaufszentren aus den Sechzigern, die inzwischen nur noch verlotterte Stiefkinder waren, seit in den Vororten die neuen Geschäftsketten und Boutiquen aus dem Boden schossen. Im selben Gebäudekomplex waren noch ein Versicherungsbüro, ein Doughnut-Laden, eine Eisenwarenhandlung und ein Stoffgeschäft untergebracht. Die ganze Umgebung wirkte wie aus einer anderen Zeit und schien keinerlei erkennbare Verbindungen zum Großraum Washington zu haben. Genau deshalb war Stones Blick ja auch darauf gefallen. Sein neues Unternehmen sollte im Verborgenen entstehen, so weit weg wie möglich vom physischen und psychologischen Einzugsbereich der CI A-Zentrale .
Anna Barnes traf pünktlich um zehn Uhr ein. Sie trug ein frühlinghaft buntes Wickelkleid aus Seide, und als sie auf die Klingel drückte, rechnete sie halb damit, dass Stone ihr öffnen würde. Stattdessen jedoch mühte sich eine Dame mittleren Alters schwerfällig die Treppe herunter und musterte Anna eingehend durch die Glasscheibe, ehe sie
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