Das Netzwerk
durch ein Loch in der Nebelbank vor ihnen, wie vom Schwarzen Meer her ein sowjetischer Kreuzer mit flatternden Fahnen und an Deck angetretener Mannschaft auf sie zukam. Begleitet wurde er von einem kleinen weißen Boot des türkischen Marinegeheimdienstes, von dem aus mehrere Foto- und Filmkameras auf das ausländische Schiff gerichtet waren.
Von der kleinen
Teodora
aus betrachtet, wirkte das heranstampfende Monstrum besonders mächtig und bedrohlich. Es war eine furchteinflößende Kampfmaschine, die von derkleinsten Niete in ihrem Rumpf bis hinauf zum größten Geschützturm die sowjetische Herausforderung an die Vereinigten Staaten verkörperte. Wieder dröhnte das Nebelhorn, fordernd und ohrenbetäubend laut, und dann rauschte der Kreuzer auf seiner Fahrt in Richtung Mittelmeer an ihnen vorbei. In seinem Kielwasser wurde die
Teodora
mitsamt ihren Passagieren wie ein Korken hin und her geworfen.
20 Um acht Uhr – einer Zeit, zu der er dort noch nie gesichtet worden war – kam Taylor am nächsten Morgen ins Konsulat, wo im großen Salon des Palazzo Corpi Stone bereits auf ihn wartete. Den Raum hatte man im Gedenken an den Türkeibesuch des Schlachtschiffs
USS Missouri
im Jahr 1946 «Missouri-Raum» getauft. Damals, als Stalins Drohgebärden gegenüber der Türkei nicht zu übersehen waren, war die
Missouri
mit in Richtung Odessa gerichteten Geschützen in den Hafen eingelaufen und hatte die Bevölkerung zu spontanen Hochrufen veranlasst.
Stone, selbst eine Art Denkmal dieser längst vergangenen Zeit, saß auf einem Sofa und las in einem Buch über byzantinische Architektur. Bei Tageslicht sah er älter und gebrechlicher aus als am Abend zuvor und war derart in seine Lektüre vertieft, dass er Taylor zuerst gar nicht zu bemerken schien. Der jüngere Mann begrüßte ihn und geleitete ihn die Treppe hinauf in den mit grauem Stuck verzierten Nachrichtenraum und weiter in das kleine, nüchtern weiß gestrichene und abhörsichere Besprechungszimmer. Auf dem Tisch standen eine Kanne Kaffee und ein Tablett mit in Zellophan eingewickelten süßen Brötchen.
«Sind Sie verheiratet?», fragte Stone, während er ein Teilchen auswickelte.
«Nein», erwiderte Taylor. «Nicht mehr.»
Stone nickte. Offenbar war das die Antwort, die er erhofft hatte. «Und gefällt Ihnen Ihre derzeitige Aufgabe in Istanbul?»
«Sagen wir mal so: Wenn es interessant wird, kann ich mir keinen besseren Ort vorstellen.»
«Und wie oft kommt das vor?»
«Nicht sehr oft.»
Stone nickte erneut. «Dem entnehme ich, dass Sie gerne mehr Herausforderungen hätten.»
«Darauf können Sie Gift nehmen.»
«Hm. Haben Sie denn einen kompetenten Stellvertreter, der sich in Ihrer Abwesenheit um die administrativen Dinge kümmern kann?»
«Ich denke schon. Er mag solche Sachen. Papierkram erledigen, sichere Häuser anmieten.»
«Sind Sie wirklich so rastlos, wie es den Anschein hat?»
Taylor wandte den Blick auf die leere, weiße Wand der Taucherglocke und dachte daran, was für nutzlose Geheimnisse hier normalerweise beredet wurden. Er dachte an die letzten Tage und Wochen, die er damit verbracht hatte, Wanzen zu installieren und sich mit Agenten wie EXCHASE zu treffen. «Ja, ich bin so rastlos, wie es den Anschein hat. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.»
Auch das schien die richtige Antwort zu sein, denn Stone sah Taylor jetzt direkt in die Augen. «Es tut mir leid, dass ich Ihnen all diese Fragen stellen muss. Aber bevor ich diese Rawls-Geschichte mit Ihnen weiterverfolge, möchte ich sichergehen, dass Sie auch der richtige Mann dafür sind. Grundsätzlich nehme ich mal an, dass Sie an einer Zusammenarbeit mit mir interessiert sind.»
Taylor überschlug im Geiste rasch seine Situation. Er hattebei der CIA zwar eine ziemlich solide Karriere vor sich, die langsam, aber stetig nach oben führte, aber er fragte sich in letzter Zeit immer häufiger, ob diese Karriereleiter letzten Endes nicht vielleicht ins Nirgendwo führte.
«Sicher», erwiderte er. «Warum nicht.»
«Dann sind Sie wohl der Richtige, schätze ich.»
«Wofür?»
«Für die Operation, die mir vorschwebt. Ich habe seit gestern Abend ein wenig nachgedacht und komme immer mehr zu der Überzeugung, dass uns mit Ihrem Mr. Rawls eine außergewöhnliche Gelegenheit in den Schoß gefallen ist. Und zwar eine, der man nur schwer widerstehen kann.»
«Eine Gelegenheit wozu?»
«Das ist die entscheidende Frage, nicht wahr? Was meinen Sie denn, dass wir mit Mr. Rawls tun
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