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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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öffnete. «Ich bin Marjorie», sagte sie, als wäre damit alles geklärt. «Kommen Sie doch mit nach oben.»
    Anna stapfte die Treppe hinauf und betrat ihr neues Büro. Es war ein kleines, etwas schäbiges Ladenlokal. Im vorderenTeil standen drei Schreibtische aus grauem Metall mit je einem schwarzen Telefonapparat, einem Tintenlöscher, Stiften und Papier. Hinter den Tischen stapelten sich ein paar einsame Orientteppiche, an der Wand hingen Muster für Teppichböden. Der einzige Zierrat bestand aus einer Wanduhr, dem Kalender eines Autozubehörherstellers und einem alten Werbeplakat der Trans World Airlines. Im hinteren Teil des Raumes standen zwei Sofas, ein Couchtisch und ein Wasserbehälter, und erhellt wurde alles von zwei langen Neonröhren, die die Behaglichkeit einer Billardhalle verströmten.
    «Nehmen Sie doch Platz.» Marjorie deutete auf die Sitzecke. Auf dem Couchtisch lagen ein paar nicht mehr ganz aktuelle Ausgaben von
People
und
House & Garden
. Anna überflog einen Artikel über einen berühmten Schauspieler, der von seiner Exfreundin verklagt worden war. Zehn Minuten später klingelte es erneut, Marjorie schleppte sich noch einmal nach unten, und gleich darauf trat Alan Taylor ein, braun gebrannt und elegant im doppelreihigen dunkelblauen Blazer mit Goldknöpfen.
    «Na so was. Du auch hier?», sagte er mit demselben spitzbübischen Blick, den Anna noch aus Istanbul kannte. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, klingelte es ein weiteres Mal. Offenbar hatte da jemand abgewartet, bis alle anderen eingetroffen waren, bevor er selbst zu der kleinen Gruppe stieß. Und diesem Jemand brauchte Marjorie auch nicht zu öffnen: Er besaß einen eigenen Schlüssel.
    «Hallo, Freunde.» Edward Stone kam federnden Schrittes die Stufen herauf. Er wirkte geradezu verkleidet für seine Verhältnisse: Statt der üblichen Kluft aus grauem Flanellanzug und braunem Homburg trug er ein rotes Holzfällerhemd und khakifarbene Arbeiterhosen, dazu Segelschuhe und eine Schirmmütze mit der Aufschrift «Redskins».
    «Willkommen im Karpetland», rief er voller Besitzerstolz.
    «Was in aller Welt ist Karpetland?», fragte Taylor.
    «Haben Sie denn das Schild nicht gesehen? Es ist Ihre neue Einsatzzentrale. Ich hoffe sehr, sie gefällt Ihnen, denn in den nächsten Wochen werden Sie eine ganze Menge Zeit hier verbringen.»
    «Ich bin begeistert.» Taylor nahm ein Blatt Karpetland-Briefpapier vom nächststehenden grauen Metallschreibtisch. «Aber wieso schreibt man das mit K?»
    «Um die Leute daran zu hindern, bei uns anzurufen. Kein Amerikaner, der halbwegs Herr seiner Sinne ist, sucht einen Teppichladen unter K – da schaut man doch immer bei C nach. Und falls doch jemand so dumm sein sollte, hier anzurufen, kümmert sich Marjorie darum.» Er deutete auf die nicht mehr ganz junge Dame. «Sie haben sich ja bereits kennengelernt. Sie wurde uns von der Sowjet-Abteilung zur Verfügung gestellt.»
    «Wir haben uns noch nicht offiziell vorgestellt.» Anna streckte Marjorie die Hand hin und wollte schon ihren Namen sagen, doch Stone bremste sie.
    «Na, na, na. Bitte keine richtigen Namen. Für Marjorie sind Sie Lucy Morgan und William Goode, die beiden Angestellten unserer kleinen Firma. Am Montag sind auch die entsprechenden Pässe und übrigen Dokumente fertig.»
    Taylor sah sich um. «Wir sollen hier aber nicht im Ernst Teppiche verkaufen, oder?»
    «Natürlich nicht», sagte Stone. «Was für eine absurde Frage.» Taylor wirkte erleichtert. Er setzte sich an einen Schreibtisch und nahm den Telefonhörer ab. Ein Freizeichen ertönte.
    «Kommen Sie, fangen wir doch gleich an.» Stone ging zu den Sofas im hinteren Teil des Ladens. «Marjorie, Sie werden wir in den nächsten Stunden wohl nicht brauchen. Vielleicht haben Sieja ein paar Besorgungen zu machen. Wenn Sie nach dem Mittagessen zurück sein könnten? So gegen halb drei vielleicht.»
    «Natürlich, Sir.» Marjorie griff nach ihrer Handtasche, und Stone wartete, bis die Tür zur Straße hinter ihr zugefallen war.
    «Also gut», sagte er dann. «Ich freue mich außerordentlich, Sie beide zu sehen. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise und sind in passablen Hotels untergebracht.»
    «Motel trifft es besser», warf Taylor ein.
    «Und nachdem Sie diesen weiten Weg auf sich genommen haben, fragen Sie sich jetzt sicher, was wir in diesem charmanten kleinen Etablissement hier in Rockville eigentlich genau vorhaben. Ehe ich Ihnen das verrate, muss ich Sie allerdings noch bitten,

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