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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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streuen.»
    «Und was ist daran falsch? Die Sowjets bemühen sich eisern, Moskau so vollständig unter Kontrolle zu behalten, dass sie jedes Vorkommnis dort für ihre Zwecke nutzen können. Manchmal besteht unsere Aufgabe eben schlicht und einfach darin, mit diesem Apparat Sabotage zu treiben. Unglücklicherweise haben unsere lieben Kollegen im Außenministerium das nie recht begreifen wollen.»
    «Was genau?»
    «Wie allumfassend dieses Kontrollsystem ist. Sie verstehen einfach nicht, dass der KGB tatsächlich jeden ausländischen Diplomaten oder Journalisten in Moskau überwachen lässt und sie alle gegeneinander ausspielt. Diejenigen, die sich kooperativzeigen, werden belohnt: Man kommt ihnen bei Verhandlungen entgegen, gewährt ihnen exklusive Interviewtermine. Und die, die sich wehren, werden bestraft. Sie finden keine Wohnung, ihre Toilette ist ständig verstopft, ihr Auto springt nicht an, und irgendwann geben selbst die Hartnäckigsten auf und fahren zurück nach Hause. Aber das Traurigste ist, wie unsere Diplomaten sich von diesem Illusionstheater einfangen lassen. Ein liberaler junger Botschafter bildet sich tatsächlich ein, dass er in Moskau Erfolg hat, weil er so ein verständnisvoller, vernünftiger Mensch ist. Und sein halsstarriger älterer Kollege hat in seinen Augen deswegen versagt, weil er die russische Volksseele eben nicht begreift und die Sprache nur unzureichend spricht. Anmaßend nenne ich so was! Solchen Leuten kann man gar nicht klarmachen, dass Moskau eine einzige große Skinnerbox ist, die nur dazu entwickelt wurde, uns auf gewisse Verhaltensweisen zu konditionieren. Dabei ist das diplomatische Korps der USA der lebende Beweis dafür, wie gut das funktioniert! Ja, zugegeben, ich bin ein Maschinenstürmer. Ich will diesen Apparat sabotieren. Und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass wir im Augenblick gar nicht mehr tun können.»
    «Und das organisieren Sie alles von Washington aus?», fragte Anna. Ihr war immer noch nicht ganz klar, wie Stones Operationen rein bürokratisch funktionieren sollten.
    «Ja», sagte Stone. «Und mit den einzelnen Mitarbeitern des Moskauer Stützpunkts verhandele ich nur dann persönlich, wenn sie mich hier in Washington besuchen. Außerdem bitte ich mir aus, dass die Einsätze CIA-intern nicht diskutiert werden und es keinerlei Schriftverkehr darüber gibt.»
    «Warum?»
    «Weil das Moskauer Büro eine Sicherheitslücke darstellt. Selbst angeblich sichere Leitungen sind alles andere als das.»
    «Warum?», fragte Anna noch einmal.
    «Das kann ich Ihnen nicht sagen», antwortete Stone knapp. «Tut mir leid. Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Ich habe berechtigten Grund zu der Annahme, dass die Sowjets unsere Post lesen. Die einzigen Aktivitäten, die sich wirklich geheim halten lassen, sind solche, die von hier aus in Auftrag gegeben werden, und zwar inoffiziell.»
    «Ist die Zentrale auch dieser Ansicht?»
    «Die vernünftigen Kollegen teilen meine Einschätzung, die weniger vernünftigen nicht. Aber ich fürchte, das sind Dinge, die ich wirklich nicht ausführlicher mit Ihnen besprechen kann.» Stone wandte sich von Anna ab und sah Taylor an, der ihm lautlos applaudierte.
    «Mr.   Stone», sagte er. «Wie ich Ihnen schon einmal sagte: Sie sind ein ganz ausgebuffter Gauner.»
    «Wenn ich mich recht entsinne, sagten Sie damals Mistkerl. Aber bitte, sparen Sie sich den Beifall. Ich komme ja gerade erst zu den Punkten, die für unsere Zwecke besonders wichtig sind. Vor etwa einem Jahr kam ich auf den Gedanken, dass wir die verschiedenen Sendesprachen von Radio Freies Europa nutzen könnten, um unser Täuschungsmanöver noch weiter zu vervollkommnen. Mit Hilfe eines alten Freundes in München habe ich also ein paar Merkwürdigkeiten über den Äther geschickt.»
    «Was denn zum Beispiel?», fragte Taylor.
    «Kuriositäten. Abweichungen vom normalen Sendeablauf. Dinge, die ein gewiefter Analytiker zwangsläufig als Botschaften an jene unsichtbaren Spione deuten muss, die wir in Moskau im Einsatz haben. Wenn beispielsweise die morgendlichen Neun-Uhr-Nachrichten immer mit demselben Jingle eingeleitet werden, braucht man es nur ein Mal – ein einziges Mal – zu ändern, schon glaubt unser schlauer Analytiker, das müsse einSignal sein. Oder man strahlt Nonsensbotschaften aus. ‹Der Himmel ist grün.› ‹Tolstoi lebt.› Oder aber man lässt den Radiosprecher an einem beliebigen Nachmittag bewusst die falsche Uhrzeit nennen. Da sind der Phantasie keine Grenzen

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