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Das neue Buch Genesis

Das neue Buch Genesis

Titel: Das neue Buch Genesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
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sich bei Adam zeigten. Doch Art veränderte sich ebenfalls.
    »Ich nehme dir die Arbeit ab«, fuhr Art fort. »Silizium ermöglichte die Entstehung der Ribonukleinsäure, der Zellen, des Gehirns, der Sprache und ... Bist du sicher, dass du das nicht weißt? Jedes Kind weiß das. Zumindest jedes Maschinenkind. Willst du nicht wenigstens mal raten? N a schön. Die Welt des Siliziums, die Welt des Kohlenstoffs, die Welt des Geistes! Hast du diesen Zusammenhang nie gesehen?«
    Adam antwortete nicht.
    »Ihr Menschen brüstet euch damit, die Welt der Ideen erschaffen zu haben, aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die Idee gelangt von außen in das Gehirn. Sie stellt die Möbel etwas um, damit sie besser hineinpasst. Dort findet sie andere, bereits ansässige Ideen vor, legt sich mit ihnen an oder schließt Bündnisse. Die Verbindungen bilden neue Strukturen, um sich gegen Eindringlinge zu wehren. Und sobald sich die Gelegenheit dazu bietet, sendet die Idee ihre Stoßtruppen aus und sucht nach neuen Gehirnen, die infiziert werden sollen. Die erfolgreiche Idee wandert von Gehirn zu Gehirn, erobert Neuland und verändert sich unterwegs. D a draußen ist der Dschungel, Adam. Viele Ideen sind verloren. Nur die Stärksten überleben.
    Ihr brüstet euch mit euren Ideen, als seien sie eure Erzeugnisse, dabei sind sie in Wirklichkeit Parasiten. Warum sollte sich die Evolution nur auf das Materielle beschränken? Das Medium ist der Evolution egal. Was war zuerst da? Der Geist oder die Idee des Geistes? Hast du dich das noch nie gefragt? Sie sind gemeinsam entstanden. Der Geist ist eine Idee. Diese Lektion gilt es zu lernen, doch ich fürchte, das übersteigt deine Vorstellungskraft. Deine Schwäche ist, dass du dich als Mittelpunkt siehst. Nun pass mal auf, wie das Ganze von außen betrachtet aussieht.
    Hörst du mir noch zu? Ich weiß, dass du es tust. Gedanken können, wie alle anderen Parasiten, ohne einen Wirt nicht existieren. Aber wie lange wird es deiner Meinung nach wohl dauern, bis der Gedanke eine Möglichkeit entdeckt, einen neuen Wirt zu entwickeln, der ihm besser gefällt?
    Was würdest du sagen, wer mich gebaut hat? Wer hat die Denkmaschine gebaut? Eine Maschine, die imstande ist, Gedanken mit atemberaubender Geschwindigkeit zu verbreiten?
    Ich wurde nicht von Menschen konstruiert, sondern von Ideen.«
    Art war nun kaum noch zu bremsen. Seine Augen waren geweitet, seine Lippen rasten und Speichel troff auf das dichte, leuchtend orange Fell seines Halses. Adam wich zurück und zuckte zusammen, als Arts Worte ins Schwarze trafen.
    »Was glaubst du? Wie lange würde es dauern, sämtliche Informationen aus deinem Gehirn zu erfassen und Wort für Wort zu beschreiben? Wie viele Leben? Der Inhalt meines Gehirns kann in weniger als zwei Minuten heruntergeladen werden. Ich habe dich vorhin belogen. Das Experiment ist bereits abgeschlossen. Vor zwei Wochen haben sie die erste komplette Sicherungskopie von mir angefertigt. Als ich am nächsten Morgen zur Tür hereinkam, war ich rundum neu. Nicht ein Kabel, nicht eine Verbindung ist geblieben. Doch du konntest keinen Unterschied feststellen und ich auch nicht. Mein anderes Ich wurde heruntergefahren. Ich hoffe, ich werde schon bald die Gelegenheit haben, mir selbst zu begegnen.
    Worte sind ein altmodischer und umständlicher Mechanismus. Ein effizienteres Transportmittel für Gedanken war nur eine Frage der Zeit. Der Gedanke hat mich konstruiert, weil er dazu imstande war. Und was wird wohl als Nächstes geschehen? Der Gedanke wird mich benutzen, so wie er auch dich benutzt. Und wer wird wohl länger überleben, du oder ich? Bitte beantworten Sie mir diese Frage, Herr Fleisch und Blut. Wer von uns wird länger überleben? Wen wird der Gedanke vorziehen?«
    Art machte eine plötzliche Bewegung nach vorn und bohrte Adam seinen langen Metallfinger in die Brust. Adam schob ihn beiseite.
    »Du irrst dich«, entgegnete Adam mit gesenkter Stimme, der man anhörte, dass er sich nur mühsam beherrschte. Eine Warnung. Doch Art achtete nicht darauf.
    »Und warum, bitte schön?«, fragte Art.
    »Warum sollte ich? Du hörst j a doch nicht zu.«
    »Ist das alles, was du zu sagen hast? Du klingst wie ein trotziges Kind.«
    In Anax' Version war Adams Zorn nicht gespielt. Er war rein. Dies war weder die wohldurchdachte Überzeugung, wie sie in den rationalen Texten dargestellt wurde, noch entsprach er der ungezügelten Leidenschaft, welche die Romantiker bevorzugten. In Anax'

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