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Das neue Buch Genesis

Das neue Buch Genesis

Titel: Das neue Buch Genesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
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durchsetzen kann, sagen wir, dieser Lehm ist besser an die Umwelt angepasst. Bestimmt fragst du dich, wie das genau vor sich geht. Angenommen, eine bestimmte Lehmart ist besonders klebrig. Dies führt dazu, dass sie sich in Flüssen an Felsen und Steinen ansammelt, was wiederum bewirkt, dass sich das Flusswasser an dieser Stelle staut, weil der gesammelte Lehm einen Damm gebildet hat. Und angenommen, die Pfützen auf diesem Damm trocknen im Sommer aus, dann werden die Staubpartikel des Lehmbettes über das Land geweht, wo sie in andere Flüsse gelangen und dort neue Dämme bilden.
    Wie du siehst, sind die Eigenschaften von Lehm nicht festgelegt. Bei der Neubildung schleichen sich Fehler ein und die vorteilhaften Unterschiede breiten sich schließlich im ganzen Land aus. Veränderung wird durch Vermehrung verbreitet. Es handelt sich um die früheste Form der Evolution. Mach dich ruhig über mich lustig, weil ich aus Silizium bestehe, aber Silikate, mein Freund, waren zuerst hier. Die Ribonukleinsäure hat sich auf unseren Rücken geschwungen, denn die Struktur der Silikate erwies sich als nützlicher Baustein.
    Natürlich sollte man immer sehr sorgfältig auswählen, was man für seine Zwecke benutzt. Es besteht nämlich immer die Möglichkeit, dass es am Ende einen selbst für seine Zwecke benutzt. Wir Silikate ahnten natürlich nicht, dass dieser neue Reproduzent so unerhört erfolgreich sein würde, dass er und seine Nachkommenschaft vergessen würden, woher sie kamen. Vergiss nicht, wir wussten nie etwas. Das Wissen kam erst viel später.
    Als Nächstes tauchte deine Lieblingslebensform auf. Die DNA-Revolution. Als man auf die zelluläre Form stieß, bedurfte es nur eines oder zwei raffinierter Tricks bis zur Herrlichkeit des vielzelligen Organismus. Auch Fortbewegung war ein hübscher Kniff und schließlich kam das große Ereignis, auf das ihr alle gewartet habt: das Gehirn. (Wenn man bei einem hirnlosen Ding überhaupt von warten sprechen kann.)
    Das großartige Gehirn, dieser heimtückische kleine Apparat für Kampf oder Flucht, Fortpflanzung oder Fütterung, den ihr für den Maßstab des Menschseins haltet. Ihr seid j a so stolz darauf, nicht wahr? Und das könnt ihr auch sein. Ohne euer Gehirn gäbe es keine Sprache und ohne Sprache hätten wir niemals die dritte Stufe der Evolution miterlebt.
    Ihr glaubt, ihr stündet am Ende der Entwicklung, doch das ist eine der Spezialitäten des Denkens: den Denker zu täuschen. So wie sich die Lebensformen aus Kohlenstoff auf dem Rücken des Lehms mittragen ließen, stellte der Kohlenstoff, sobald das Gehirn funktionstüchtig war, bald fest, dass d a draußen noch jemand auf eine günstige Gelegenheit wartete, mitgenommen zu werden. Weißt du, wovon ich rede? Bestimmt weißt du es. Sag mir, dass du wenigstens das weißt.«
    Art sah Adam mit aufgerissenen Augen herausfordernd an. Adam wusste, wohin das alles führte. Es war unmöglich, es nicht zu sehen. Doch welche Gegenargumente er auch haben mochte, er behielt sie für sich, um seine Trumpfkarten erst später auszuspielen. Unterdessen beschränkte er sich darauf, Art zu beschimpfen. Seine Stimme klang rau und verletzend.
    »Du kannst mir so viele Geschichten erzählen, wie du willst. Du bist und bleibst für einen Kühlschrank zu klein und für einen Affen zu hässlich. Warum sollte ich deinen Worten Beachtung schenken?«
    »Um dir die Zeit zu vertreiben«, erwiderte Art, unbeeindruckt von Adams Sticheleien.
    »Nein, das wäre pure Zeitverschwendung«, knurrte Adam.
    »Ach, stimmt ja«, rief Art und tat so, als begriffe er plötzlich. »Du wirst j a irgendwann sterben, nicht wahr? Zeit muss für dich etwas ganz anderes sein. Etwas sehr Wertvolles. Es muss schlimm für dich sein, hier drin eingesperrt zu sein und deine Tage verstreichen zu sehen. Würde ich alt werden, würde ich es hassen wie die Pest, bei dir sein zu müssen.«
    Art war ruhig, aber nicht gleichgültig. Er tänzelte wie ein Boxer und sein Fortbewegungsmechanismus surrte aufgeregt, während er seine Schläge austeilte. War er sechs Monate zuvor noch ein amüsantes und harmloses Objekt gewesen, zeigte er nun eine neue Seite. Er war ... menschlicher.
    Dieser Punkt war so offensichtlich, dass Anax ihn bis zu diesem Moment glatt übersehen hatte. Aufregung durchflutete sie. Endlich begriff sie, was ihr bisher immer gefehlt hatte, wenn sie die Konfrontation zwischen Art und Adam darstellte. Die ganze Zeit hatte sie nur darauf geachtet, welche Auswirkungen

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