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Das neue Buch Genesis

Das neue Buch Genesis

Titel: Das neue Buch Genesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
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Schaltkreisen bestehen. Du weißt, dass sie nicht denken. Automatische Türen denken nicht. Ein Backofen denkt nicht. Eine Waffe hat keinen eigenen Verstand. Und deshalb gehst du davon aus, dass keine Maschine denkt.
    In deinen Augen scheint Denken eine besondere Substanz zu erfordern. Aber versuch es mal von meinem Standpunkt aus zu sehen. Ich sehe viele Wesen mit Gehirnen. Einen Wurm, eine Fruchtfliege oder eine Hummel. Denken sie oder sind sie nur Maschinen?
    Ich beherrsche sieben Sprachen. Ich kann in allen mit dir diskutieren. Ich kann eine Version von mir selbst nachbauen. Ich kann Gedichte schreiben. Ich kann dich im Schach schlagen. Wer kann mehr denken, ich oder die Hummel? Ich bin nur eine Maschine, während die Hummel ein Gehirn hat. Nach deiner Argumentation müsste die Hummel mehr denken als ich.«
    »Mein Gehirn ist viel größer als das einer Hummel.«
    »Meine Schaltkreise sind um ein Vielfaches komplizierter als die einer automatischen Tür.«
    Mittlerweile standen sie sich gegenüber, so wie in einem Duell aus einem vorklassischen Western, doch aufgrund des enormen Größenunterschieds schlitterte die Szene knapp an einer Parodie vorbei.
    »Bevor sie mich in die Militärakademie versetzt haben , haben wir in der Schule ein Gedankenexperiment behandelt, das sich das Chinesische Zimmer nannte.«
    »Das kenne ich gut.«
    »Darf ich meine Geschichte bitte zu Ende erzählen?«
    »Du weißt, dass ich eine Antwort darauf habe.«
    »Falls sie irgendwann mehr Roboter machen werden«, sagte Adam, »werden sie dich auch nicht mögen.« Er setzte sich auf seinen Stuhl.
    Art stand vor ihm und wartete darauf, dass er fortfuhr. Adam hatte sich inzwischen etwas beruhigt. Er sprach langsam, als wäge er jedes Wort genau ab und wundere sich über die Sätze, die aus seinem Mund kamen.
    »Bei dem Gedankenexperiment des Chinesischen Zimmers«, sagte Adam, »sollten wir uns einen Raum mit einer komplizierten Vorrichtung aus Hebeln und Seilzügen vorstellen. Die komplizierteste Vorrichtung, die man sich denken kann. Als Nächstes nehmen wir an, ich sitze mitten in diesem Zimmer und erhalte durch einen Schlitz in der Wand eine Nachricht in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Sagen wir, es wäre Chinesisch. Ich besitze ein Handbuch mit unzähligen Anweisungen, die mir sagen, welchen Hebel ich für welchen Buchstaben der Nachricht betätigen muss. Die Seilzüge bewegen sich, und während ich die Bewegungen beobachte und den Anweisungen meines Handbuchs folge, ziehe ich an weiteren Hebeln und bewege mehr Seilzüge und schließlich bleiben die Hebel stehen und die Maschine deutet mit einem Pfeil auf ein Schild an der Wand und markiert die Buchstaben, die ich als Antwort notieren soll.
    Ich tue, was mir die Maschine sagt, und stecke meine Nachricht durch den Schlitz in der Wand. Ich verstehe weder die Nachricht, die ich bekommen habe, noch die Nachricht, die ich durch den Schlitz geschoben habe. Aber dank der Hilfe der komplizierten Vorrichtung aus Hebeln und Seilzügen ergibt die Antwort für den chinesischen Muttersprachler auf der anderen Seite der Wand absolut Sinn.
    Dieser schreibt eine neue Nachricht, wieder folge ich meinen Anweisungen und so weiter. Auf diese Weise entspinnt sich eine Unterhaltung zwischen dem Chinesen und mir. Nur dass ich keine Ahnung habe, was in diesen Nachrichten, die durch den Schlitz geschoben werden, steht. Ich bin an einer gedankenlosen Unterhaltung beteiligt.
    Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es für ein Bewusstsein mehr bedarf als pure Mechanik. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Anschein eines Gedankens und dem eigentlichen Gedanken. Der Chinese nimmt an, dass auf der anderen Seite der Wand ein denkendes Wesen sitzt, mit dem er sich unterhält, aber diese Annahme ist falsch. Es gibt lediglich eine Reihe von Hebeln und Seilzügen und mittendrin sitze ich und folge meinen Anweisungen, ohne ein Wort zu verstehen. Und ich glaube, das bist du. Ich glaube, du bist das Chinesische Zimmer.«
    »Ich glaube auch, dass ich das Chinesische Zimmer hin«, antwortete Art. »Und genau das ist der Haken an deinem Beispiel.«
    Adam sah Art an und wartete auf eine Erklärung. »Das verstehe ich nicht.« Sie sprachen nun ruhiger, respektvoller. So als wüssten sie, dass sie sich gemeinsam einem unbekannten Ort näherten, von wo es, einmal angelangt, kein Zurück mehr gäbe.
    »Ich könnte es dir erklären«, sagte Art mit sanfter Stimme und sah Adam tief in die Augen, »aber ich glaube nicht, dass du

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