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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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argumentieren, denn wie sollte man ihm das verbieten, aber er kann nicht verlangen, dass ihm jemand zuhört.
    Konsequent durchgezogen ist radikaler Skeptizismus eine anstrengende und riskante Lebensweise. Von Pyrrhon von Elis, einem Skeptiker im alten Griechenland, ist überliefert, er sei auf seinen Reisen weder entgegenkommenden Wagen noch bissigen Hunden ausgewichen. Die wenigsten werden bereit sein, so weit zu gehen. Wer es doch versuchen will, der sollte sich vorher vergewissern, dass seine Freunde diesen Skeptizismus nicht teilen. Irgendwer muss sich schließlich um die Hunde kümmern.

[zur Inhaltsübersicht]
    Wissenschaft
    Aus hundert Kaninchen wird niemals ein Pferd und aus hundert Verdachtsgründen niemals ein Beweis.
    Porfiri zu Raskolnikow in Dostojewskis «Schuld und Sühne»
    Wenn man im Lexikon nachschlägt, was Wissenschaft ist, dann erfährt man zum Beispiel, es handele sich um die methodische Erweiterung des Wissens oder eine andere vage Angelegenheit. Es ist nicht klar, wie dieses →Wissen aussieht und ob beziehungsweise wo man es kaufen kann. Zusätzlich kann man sich auch noch damit herumquälen, was das für Methoden sind, die wir zur Wissensvermehrung verwenden. Darf jeder so einfach neues Wissen in die Welt setzen? Woran kann man erkennen, ob jemand nur rumspinnt, anstatt ordentlich zu forschen? Und wie funktioniert sie überhaupt, diese Wissenschaft?
    Wenn Wissenschaft unser Goldstandard zur Erlangung von Wissen ist, dann müsste man als Erstes versuchen, diesen Standard von Nicht-Wissenschaft abzugrenzen, die weniger taugt. Wissenschaft von, sagen wir, Radiohören abzugrenzen ist kein großes Problem, vor allem, weil kaum jemand behaupten wird, beides sei das Gleiche. Kompliziert wird es immer dann, wenn man mit etwas zu tun hat, das behauptet, wissenschaftlich zu sein, aber es eventuell gar nicht ist – eine Pseudowissenschaft. Ist Astrologie Wissenschaft? Wenn nein, warum nicht? Was ist mit Hellsehen, immerhin auch eine Art der Wissensvermehrung? Alles muss auf den Prüfstand, egal, wie vertrauenerweckend es aussieht: Psychoanalyse? Archäologie? Phrenologie? Gerontologie? Kryptozoologie? Kosmogonie? Ufologie? Wir haben ein paar Fragen für Sie.
    Ein unschuldiger Anfang: Man könnte annehmen, dass sich wissenschaftliche Theorien, im Unterschied zu ihren Pseudo-Geschwistern, aus Fakten ableiten. Diese Vorgehensweise heißt Induktion und galt bis zum 18. Jahrhundert als Kern ordentlicher Wissenschaft. Fakten, das klingt solide. Aber weit kommt man mit diesem Ansatz nicht. Pseudo, der Anwalt der Gegenseite, wird einem sofort erklären, dass isolierte Fakten nicht existieren, sondern immer «theoriebeladen» sind, was so viel heißt wie: Man sieht immer nur das, was man sehen will. Es gibt schließlich unendlich viele Fakten da draußen, man kann nie alle ansehen. Sobald man ein Gerät aufstellt, um irgendetwas zu messen, hat man schon eine Entscheidung getroffen, welche Art Fakten man gerne hätte. Wenn man, wie Aristoteles, den Kosmos für unveränderlich hält, dann starrt man eben nicht nächtelang irgendwelche Sterne an, um nach Veränderungen zu suchen.
    Als Nächstes wird Pseudo einem erklären, dass es prinzipiell unmöglich ist, aus einzelnen Fakten einen allgemeinen Zusammenhang abzuleiten. Wenn sich Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn auf Ellipsen bewegen, kann man daraus nicht ableiten, dass sich alle Planeten auf Ellipsen bewegen (obwohl das vermutlich stimmt, so behaupten jedenfalls Astronomen). Dieses «Induktionsproblem» hat zur Folge, dass man als Wissenschaftler die Hoffnung auf unantastbare Beweise aufgeben und sich mit lästigen Zweifeln herumschlagen muss. Eine groteske Konsequenz: Die Wissenschaft kann uns noch nicht einmal zweifelsfrei versichern, dass die Sonne morgen aufgehen wird. Dass es bisher jeden Tag so war, heißt schließlich nichts. Das war’s dann erst mal mit den schönen Fakten.
    Etwa an dieser Stelle wird man als Anwalt der Wissenschaft damit anfangen, einen österreichischen Philosophen namens Karl Popper zu zitieren, der im Jahr 1934 auf den metaphorischen Tisch haute. Induktion, so Popper, braucht man gar nicht, und kein Wissenschaftler hat sie je verwendet. Man dreht den Spieß einfach um. Fakten beweisen Theorien zwar nicht, sie können sie aber widerlegen. Jede gute wissenschaftliche Theorie hat den Charakter eines Verbotsschildes – bestimmte Ereignisse sind im Rahmen der Theorie nicht möglich. Eine gute Theorie sollte daher prinzipiell

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